Frei werden für Gottes Nähe

Liebe Schwestern und Brüder,

nun ist sie vorbei, die Zeit der „Mummerey“ und der „Heidnischen Tobung“, über die sich in dieser Weise im 17. Jahrhundert selbst die Kölner Stadtväter beklagten. Dem katholischen Kölner Jecken erschien es wohl von jeher vollkommen folgerichtig, dass nach dem wilden Feiern im Karneval Buße, Fasten und Beten notwendig war. Und für die anderen? Wie soll ich fasten und warum? In welchem Sinne ist Buße und Umkehr gemeint? Für wen gilt das? Oder wem hilft das?

In einer Einleitung zum ersten Fastensonntag heißt es: „Fastenzeit“ oder „österliche Bußzeit“, das sind die vierzig Tage der Vorbereitung auf Ostern, das Fest der Feste. Wir werden erinnert an die vierzig Tage, die Jesus in der Wüste gefastet hat. Wüste bedeutet Freiheit, aber auch Unsicherheit, Armut, Durst und Hunger.

Wüste bedeute Freiheit? Bei „Wüste“ denke ich eigentlich zunächst an „Durst, Hunger und Hitze“. Wieso Freiheit?

„In jener Zeit verließ Jesus, erfüllt vom Heiligen Geist, die Jordangegend. Darauf führte ihn der Geist vierzig Tage lang in der Wüste umher …“, heißt es im Lukas-Evangelium (Lk 4,1).

Eine unglaublich lange Zeit für einen Aufenthalt in der Wüste. Hatte Jesus denn Essen dabei? – Nein, hatte er nicht, aber anscheinend war er so frei, sich darum nicht zu kümmern.

„Die ganze Zeit über aß er nichts.“(Lk 4,2)

Wird man frei, wenn man sich in Gedanken nicht um Essen und Trinken, um Genuss und Versorgung kümmert, sondern sich vertrauensvoll in eine leere Wüste möglicherweise mit zeitweise leerem Magen begibt?

Das ist aber nicht alles! Im Lukas-Evangelium wird weiter eindrucksvoll davon berichtet, wie der Teufel Jesus dreimal in Versuchung führt: „… als aber die vierzig Tage vorüber waren, hatte er Hunger. Da sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden“. (Lk 4,3)

Teufel aber auch, was für eine Versuchung – wenn man Hunger hat! Jesus hatte Hunger, so wie jeder Mensch Hunger gehabt hätte. Jesus als Mensch. Aber im Gegensatz zu uns Menschen hätte Jesus es sogar gekonnt, den Stein in Brot zu verwandeln! Macht er aber nicht: „Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot.“ (Lk 4,4)

Da hast du es, Teufel. Brot? Braucht er nicht! Jedenfalls nicht, wenn du ihn dazu verleiten willst. Kraft gibt ihm etwas anderes! Gott gibt ihm die Kraft zum Leben.

Können wir möglicherweise auch Gottes Gegenwart und die Kraft, die er uns geben will, deutlicher spüren, wenn wir frei und leer werden? Jesus weist auf die Heilige Schrift hin – auch für uns eine Kraftquelle.

Der Teufel aber gibt nicht auf: Macht und Herrlichkeit vielleicht? Oder fantastische übernatürliche Kräfte „… Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest …“ (Lk 4,7)

Wie oft werden wir versucht durch unsere alltäglichen Mächte und Herrlichkeiten und durch die Vorstellung, dass wir fantastisch fähig und kräftig sind – und fallen darauf herein und davor nieder. Nein, eine Umkehr zum normalen Maß der Menschlichkeit und zur Demut kann dabei genau so befreiend wirken, wie ein Bauch, der einmal die Leere spürt.

„Jesus antwortete ihm: In der Schrift steht: vor dem Herrn deinem Gott sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“, und „Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht auf die Probe stellen.“ (Lk 4,8.12)

Der Teufel gibt für´s erste auf! Der Widersacher hat keine Gewalt über Jesus, über ihn, den ganz Heiligen. Wenn wir uns ganz nah zu Jesus stellen, in das Licht Christi sozusagen, verblassen die künstlichen Lichter, falschen Ideen und alles Unwesentliche um uns herum. Und auch wir normalen Menschen können dem Teufel, dem Widersacher immer besser widerstehen und ganz einverstanden mit dem büßenden Kölschen Jecken sagen: Deuvel, du fiese Möpp, jangk mer us de Auge! Isch stell alles op de Kopp unn dä Leeve Jott jevv mer Kraff dobei.

Maria Schmidt