Liebe Schwestern und Brüder,
schlafen Sie während der Predigt schon mal ein? Wer kennt das nicht: da beginnt jemand mit seiner Unterweisung und nach dem zweiten Satz denkt man: da kann eigentlich nicht mehr viel kommen. Und schon segelt man mit seinen Gedanken weg. Das erinnert mich an einen Prediger, der gefragt wurde, ob er im Schlaf rede? „Nein“, war daraufhin seine Antwort, „ich rede immer dann, wenn andere schlafen.“
Während einer Predigt wird erfahrungsgemäß heutzutage nicht mehr so viel geschlafen. Ein Grund mag auch darin liegen, dass ein Teil des Predigtschlafes das Fernsehen übernommen hat. Schade nur, dass die Fernsehmacher ihre im Schlaf versunkenen Zuschauer nicht sehen können.
Ob der Völkerapostel Paulus ein großer Prediger war? „Ich kam nicht“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth, „um glänzende Reden vorzutragen, sondern um euch das Zeugnis Gottes zu verkündigen“ (1 Kor 2,1). Offenbar konnte Paulus dennoch lange und einschläfernd reden, so dass während einer seiner Predigten ein junger Mann am offenen Fenster einschlief, aus dem dritten Stock auf die Straße flog und auf der Stelle tot war. Geschehen im kleinasiatischen Ort Troas (vgl. Apg 20,7-12). Gott sei Dank besaß Paulus die Gabe der Wiederbelebung, so dass der junge Mann wieder zu Kräften kam. So konnte Paulus mit den Leuten bis zum Morgengrauen zusammenbleiben.
Und wie predigte Jesus? Bei Jesus wissen wir mehr über den Inhalt als über den Stil seiner Rede. Dennoch wird die Predigt Jesu nicht ohne Witz bzw. Humor gewesen sein. Wenn so viele Leute seine Nähe suchten, dann gewiss zunächst deswegen, weil von Jesus eine Kraft ausging, die viele tröstete und aufrichtete. Offenbar war es aber auch belustigend, seinen humorvollen Worten zu lauschen.
„Wer Ohren hat, der höre“, wird beispielsweise Jesus sagen (Mt 11,15). Als wenn es eine Kategorie von Menschen gäbe, die keine Ohren hätten. Ein Zerstreuter könnte sich nun mit seinen Händen in Richtung Kopf vorantasten, um festzustellen, zu welcher Kategorie von Menschen er denn nun gehöre. Und siehe da, er findet Ohren vor. Er gehört also zur Gruppe derjenigen, die angeredet sind. Mehr noch, alle sind die Angeredeten. Mag es wohl taube Menschen geben, eine Gruppe Ohrenloser gibt es jedoch nicht. Jesus tut aber so, als wenn es sie gäbe.
Während wir über dieses Bildwort schnell hinweghören, werden die Leute damals geschmunzelt und verblüfft den dahinter liegenden Sinn erkannt haben: Benutze deine Ohren nicht nur, um zu hören, sondern um richtig zu hören. Richtig hören, aber heißt verstehen. Und richtig verstehen heißt: beherzigen.
Die Sprache Jesu hat also was, in ihr liegt geistreicher Humor. Jesus reißt keine Witze, in seiner Predigt steckt vielmehr Witz. Witz macht andere nicht lächerlich oder stellt sie bloß. Witz will vielmehr durch tiefgründige und heitere Weise zum Nachdenken ermuntern.
Hinsichtlich Witz und Lachen hatten die Theologen der frühen Kirche ein beträchtliches Problem. Nach den Befunden der Evangelien gingen sie davon aus, Jesus sei ein Mensch ohne Witz und Heiterkeit. Der Sohn Gottes habe wohl geweint, aber nie gelacht. In den damaligen Mönchskreisen galt Gelächter ohnehin unvereinbar mit einem Leben reuevoller Buße. Jesus sei, so legten sich die Kirchenväter als Begründung zurecht, als Mensch zwar des Lachens fähig gewesen, der Sohn Gottes habe aber freiwillig darauf verzichtet. In unserer Zeit können wir darüber nur schmunzeln …
Auf den Humor in der Kirche möchten wir nicht verzichten. Das erging so auch der hl. Theresia von Avila (1515-82). In ihrer Zeit wird die große Mystikerin vielen humorlosen Geistern begegnet sein. Nachvollziehbar, wenn sie einmal sagt: „Der liebe Gott bewahre mich vor Heiligen mit einer finsteren Mine.“ So eine Feststellung darf ebenso für die heutige Zeit gelten, denn wer der Heiterkeit zum Durchbruch verhilft, der verwirklicht viel vom Witz und Charme Jesu.
Vielleicht verstand jener Pfarrer am besten davon, der nicht ohne tiefsinnigen Humor auf die Kanzel steigt und seinen Gemeindemitgliedern sagt: „Liebe Schwestern und Brüder, die Predigt fällt heute aus, ich habe euch heute nämlich was zu sagen.“ Nach diesem Satz waren alle wach!
Pfarrer Wolfgang Guttmann