Fest Kreuzerhöhung

Liebe Schwestern und Brüder!

Es entzieht sich meiner Vorstellungskraft, dass noch heute in der Welt Menschen bestialisch gekreuzigt werden. Man kann es einfach nicht glauben, wie Machthaber zusammen mit ihren Folterknechten so unerbittlich mit dem Leben umgehen. Eigentlich entzieht sich es ebenso unserer Vorstellungskraft, dass auch Jesus, der Sohn Gottes, so einen grausamen Foltertod hat aushalten müssen. Wir können uns das nicht vorstellen. Vielleicht gerade deswegen bleibt das Kreuz etwas Geheimnisvolles. Wir erkennen es auch daran, dass viele nicht allein in ihrer Wohnung ein Kreuz als Wandschmuck aufhängen, sondern dieses sich auch in die Haut eintätowieren lassen oder als feinen Halsschmuck ein Kreuzchen tragen.

Jedes Jahr am 14. September begeht die Kirche das Fest Kreuzerhöhung. Die Bezeichnung dieses Tages ist für unsere Ohren ein wenig sperrig. Was hat es auf sich mit dem Fest, dass zu einem der ältesten der Christenheit gehört?

Das Fest Kreuzerhöhung greift zurück auf ein Ereignis im Jahre 335. Am 14. September wird nach Jahren der Bauzeit eine große Kirche eingeweiht: diese umschließt mit ihren Außenmauern sowohl den Felsen Golgotha als auch das Grab Jesu. Hinzu kommt ein weiterer Kirchenbereich, in dem das der Überlieferung nach echte historische Kreuz Jesu neu aufgerichtet und von den Gläubigen verehrt werden konnte. Die Kaiserin Helena, Mutter von Kaiser Konstantin, will es bei ihrer Reise ins Heilige Land aufgefunden haben. Diese große Kirche steht noch heute und ist weltweit der Christenheit bekannt als Jerusalemer Grabeskirche oder Auferstehungskirche.

Mit diesem Ereignis im Jahre 335 begann die Verehrung des Kreuzes Jesu eigentlich erst richtig. Auch wenn das geschichtliche Kreuz Jesu inzwischen als verschollen gilt, geht vom Kreuz noch immer eine wundersame Faszination aus. Jesus und sein Kreuz. Sein Kreuz ist tatsächlich auch unser Kreuz. In unserer Stadt Quickborn gehen wir vor Ostern zusammen mit anderen Kirchengemeinden hinaus auf die Straße, mitten ins Leben hinein, nehmen dabei ein schlichtes Holzkreuz mit und halten da inne, wo sensible Orte auszumachen sind. Das können beispielsweise Stolpersteine sein, die an das Schicksal von Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Dabei denken wir natürlich auch jene, die in unseren Tagen vom Kreuz des Lebens nicht verschont bleiben: Menschen werden krank, verunglücken, ein Nahestehender stirbt, ein Berufsweg wird durchkreuzt. Ebenso werden Menschen betrogen oder im Stich gelassen. Nicht wenige machen auch die Erfahrungen, fertig gemacht zu werden, man arbeitet gegen einen. Viele Menschen wissen nicht mehr aus noch ein. Mal ist das Kreuz des Lebens leichter, mal ist es schwerer.

Fest Kreuzerhöhung! Welche Gedanken kommen bei uns auf, wenn wir auf das Kreuz Jesu schauen? Ich möchte gern wünschen, dass all die vielen Opfer der Menschenverachtung nicht umsonst gestorben sind. Es gibt tatsächlich bis heute Menschen, die aus den bitteren Erfahrungen der Geschichte lernen und für sich persönlich Wege der Umkehr einleiten.

Man möchte auch wünschen, dass Menschen begreifen, was der Opfertod Jesu für das eigene persönliche Leben ausmacht. Von Kurt Tucholsky (1890-1935) stammt das Wort: “Wer viel liebt, ist bereit, viel zu leiden.” Offenbar ist es wie eine Art Lebensgesetz. Wer einen wirklich liebt, der leidet mit ihm und der leidet an ihm. So leidenschaftlich stelle ich mir die Liebe Gottes zu uns Menschen vor. Im göttlichen Jesus begegnet uns die Liebe schlechthin. Er hat sehr viel geliebt, hat jedoch auch sehr viel gelitten. Gottes leidenschaftliche Liebe zu uns hat Jesus ans Kreuz gebracht. Wir erinnern uns dabei an das Wort Jesu: „Es hat keiner eine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Joh 15,13).

Wir dürfen Jesu Freunde sein. Deswegen zeigen wir der Welt das Kreuz Jesu, richten es auf, erhöhen es auf unsere Weise – in unseren Wohnungen oder an unserem Körper, damit alle, die es sehen, eine Ahnung davon bekommen, aus welcher geistlichen Kraft heraus wir leben. Und wir spüren: es tut uns gut.

Diese Erkenntnis wünsche ich allen.

Lobpreis:
Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen Dich, denn durch Dein heiliges Kreuz hast Du die Welt erlöst.

Pfarrer Wolfgang Guttmann