Liebe Schwestern und Brüder,
„Ich gehöre einer Kirche an, die jung und dynamisch sowie voller göttlichem Vertrauen den Weg in die Zukunft weiter fortsetzt!“ Ob diese Worte auch heute gelten? Diesen Satz sprach Anfang der sechziger Jahre der inzwischen heiliggesprochene Papst Johannes XXIII. (1958-63). Mit seiner Einberufung des II. Vatikanischen Konzils (1962-65) eröffnete dieser Reformpapst der Kirche tatsächlich eine neue Zukunft.
Mit Papst Franziskus (*1936) erfährt das II. Vatikanum nun so etwas wie eine Renaissance. Die Einberufung einer gegenwärtig in Rom tagenden Bischofssynode (04.-25.10.15) zum Thema „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ greift einen längst überfälligen Reformgedanken auf. Um Skeptiker zu überzeugen, wird Papst Franziskus mit der Gabe des Heiligen Geistes viele Kräfte aufzubringen haben. Bei allem, was der jetzige Pontifex Maximus an Botschaften weitergibt, geht es bei ihm um nichts anderes, als die christliche Lehre von der Einheit der Ehe zu bewahren und zugleich, wie Kardinal Walter Kasper (*1933) schreibt, „die verwundeten Menschen zu begleiten“. Papst Franziskus sieht hierin die Kirche der Zukunft.
Von Ehe und Familie sind jene jungen Leute noch weit entfernt, von denen die in diesen Tagen bekanntgewordene „Shell-Jugendstudie 2015“ spricht. Diese bei Jugendlichen (12-25 J.) durchgeführte Studie lässt allerdings hoffen. Die früher von jungen Leuten oft gestellte Frage „Was bringt mir das?“ hat sich geändert. „Die junge Generation befindet sich tatsächlich im Aufbruch. Sie ist anspruchsvoll, will mitgestalten und neue Horizonte erschließen“, sagt Studienleiter Mathias Albert (*1967) von der Uni Bielefeld. Gleichzeitig ist zwar ein gesicherter Job ein wichtiges Ziel, Freundschaften und Familie sollen dafür jedoch nicht vernachlässigt werden.
Und wie steht es mit der Religion? Natürlich gibt es regionale Unterschiede. Jugendliche gehören zwar oft einer Kirche an, es bedeutet aber nicht, dass für sie die Religion im Zentrum ihres Wertesystems steht. Dabei respektieren sie, so die “Shell-Studie”, allerdings das Dasein der Kirche, schätzen sogar ihre soziale Rolle. Sie vermissen jedoch oft Antworten auf wichtige Fragen ihres Lebens.
Wäre das nicht eine dringliche Aufgabe in der Kirche von heute? Mit dogmatischen Lehrsätzen allein werden junge Leute nicht zu gewinnen sein. Vielmehr müssten wir selber zunächst lernen, in welcher Welt junge Leute von heute leben. Dass in der heutigen Jugendgeneration ein großes Wertepotential steckt, davon sprechen allemal die ermutigenden Ergebnisse diese Studie.
Einen erstaunlichen Blick auf das Christentum lenkt in diesen Tagen ein Muslim. Navid Kermani (*1967) erhält an diesem Sonntag (18.10.15) in der Frankfurter Paulskirche den „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“. In seinem vielbeachteten Buch „Ungläubiges Staunen“ schreibt der freie Schriftsteller über das Christentum und damit über jene beträchtlich tröstende Kraft, die von der reichen Sprache biblisch-christlicher Bilder ausgeht. Für viele Leser ist es wie ein erfrischendes Aha-Erlebnis, wenn ein Außenstehender wie dieser weltoffene Orientalist den Blick neu eröffnet für den spirituellen Reichtum christlichen Glaubens.
Auf den Reichtum christlichen Glaubens macht der Autor des Hebräerbriefes aufmerksam. In der 2. Lesung dieses 29. Sonntags im Jahreskreis vernehmen wir seinen Aufruf: „Da wir nun einen erhabenen Hohenpriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, lasst uns an dem Bekenntnis festhalten“ (4,14).
Erstaunlich bleibt, welch hohe Faszination vom Christentum auch heute ausgeht. Außenstehende entdecken eine geistliche Anziehungskraft, anderen wie den jungen Leuten will die Nähe zum eigenen persönlichen Leben neu erschlossen werden. Ähnlich wie durch den hl. Papst Johannes XXIII., der auch als der gute Papst bezeichnet wird, will ich auch in unserer Zeit hinsichtlich der Kirche Jesu mein persönliches Credo aussprechen: „Ich glaube weiterhin an eine Kirche, die jung und dynamisch sowie voller göttlichem Vertrauen den Weg in die Zukunft weiter fortsetzt!“
Pfarrer Wolfgang Guttmann