Liebe Schwestern und Brüder,
während ich diese Zeilen schreibe und mit Schmerz an die vielen so plötzlich und unerwartet in Südfrankreich ums Leben gekommenen Flugzeuginsassen denke, sendet der Rundfunk eine ungeheuerliche Nachricht: Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass der Copilot offenbar willentlich alle Flugzeuginsassen mit in den Tod riss. Begreifen kann man diesen wie aus der Unterwelt kommenden Entschluss nicht. Ein interviewter Experte, der aufgrund der ungeahnten Auswertung des Stimmenrecorders vor Fassungslosigkeit mit sich rang, brachte als Feststellung die naheliegende Frage ein: Wem vertraue ich mein Leben an?
Wie selbstverständlich vertrauten sich die Passagiere dem verantwortlichen Flugpersonal an. Doch was ist, wenn alles anders kommt? Wir werden noch nicht einmal im Entferntesten ahnen können, welche seelischen Belastungen die Angehörigen und alle ihnen Nahestehenden durchzutragen haben. Die Wunde des Schmerzes sitzt tief und wird ihr Leben zeichnen, ja verändern. Besonders tragisch ist, dass gerade viele junge Leute unter den Opfern sind.
Seelsorger versuchen die Hinterbliebenen zu begleiten. Auf die Frage, worauf man als Seelsorger zu achten hat, kommt die richtige Antwort: Einfach da sein, ohne viele Worte, vielleicht die Hand drücken als Zeichen gemeinsamer Trauer. Als Seelsorger können wir nicht anders, als die Fassungslosigkeit dieses unbegreiflichen Ereignisses teilen helfen.
In diesen Tagen betrachten wir die Passionsgeschichte Jesu. Christen deuten sie im Geist der Erlösung. Der Mensch ist hineingenommen in eine Schicksals- und Wegegemeinschaft mit Jesus. Durch ihn sind wir auf einem gemeinsamen Weg einer tröstenden Du-Beziehung zu einem Gott, der selber den Leidensweg der Schmerzen und des Todes mit uns geht.
Wem vertraue ich mein Leben an? – ständig darf uns diese betroffen machende Frage bewegen. Auch Jesus tut es. Noch am Kreuz wird Jesus beten: „Vater, in deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist“ (vgl Lk 23,46; Ps 31,6).
Wenn weltweit nun unzählige Christen in die Passionswoche eintreten und des Leidens Jesu gedenken, dann schließen Christen auch jene mit ein, deren Leben durch ein tragisches Schicksal wie bei diesem unfassbaren Flugzeugabsturz durchkreuzt wurde. Selbst in unserer tiefen Bestürzung vertrauen wir ihr Leben dem Gott des neuen Lebens an.
Unsere Nähe gilt daher allen Trauernden in ihrem bitteren Schmerz. Betend halten wir Christen den Glauben an das österliche Leben wach.
Pfarrer Wolfgang Guttmann