Warum?

Warum?

In diesen Tagen erfuhr ich vom tragischen Schicksal einer Familie, die um ihren 22-jährigen Sohn trauert. Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall kam er ums Leben. Die Familie ist fassungslos. Die Eltern hadern mit ihrem Schicksal und fragen nach dem Warum. Warum kann Gott dies zulassen? Warum musste uns das alles passieren?

Wir können die Frage der Eltern nachempfinden. Wenn jemand ein schweres Schicksal trifft, dann ist es zutiefst menschlich, wenn der bittere Schmerz in dieser bedrückenden Frage zum Ausdruck gebracht wird – nicht allein Menschen gegenüber, viele tun es auch gegenüber Gott.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Menschen, die so Gott nicht in Ruhe lassen, sich nicht einfach mit dem Leiden abfinden, ganz nahe an den Gott der Bibel heran kommen. Mit dem alttestamentlichen Buch Ijob beispielsweise finden sich jene wieder, die vom Schicksal des Lebens hart getroffen sind. Die Frage nach dem Sinn des Leides bleibt jedoch weiterhin offen.

Auch Jesus erklärt das Leid der Menschen nicht. Wenn Jesus angesichts von Krankheit und Not von der Herrlichkeit Gottes (Joh 9,3) spricht, die offenbar werden soll, dann ist dies ein erster Hinweis. Was Jesus aber wohl tut: der Sohn Gottes leidet mit. Den Schmerz der Menschen nimmt Jesus selber auf sich und macht ihn sich zu Eigen – bis hin zur Klage zum Kreuz: „Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mt 27,46). Hier am Kreuz finden wir dieses unbegreifliche „Warum“ wieder. Es ist so, als wenn alle Abgründe menschlichen Lebens sich in diesen Klageworten Jesu verdichten würden. Nicht wenige Leidende finden sich in diesen Worten Jesu am Kreuz wieder.

Aus den Worten Jesu wird zudem auch deutlich: Gott ist da. Mitten im tiefsten Leid weiß Jesus, wie übrigens der klagende Ijob auch, an wen er sich wendet: an Gott – „Gott, mein Gott.“

Nach langem Hadern hatte die Familie diesen göttlichen Trost gefunden. In ihrem seelischen Schmerz äußerte die trauernde Mutter: „Wenn es einen Trost gibt, dann den, dass unser Sohn bei Gott gut aufgehoben ist.“ Um diese Sichtweise als Antwort auf die bedrückenden Fragen unseren Leben zu finden, hätten wir alle lange durch die Schule des Kreuzes zu gehen.

Pfarrer Wolfgang Guttmann