Liebe Schwestern und Brüder,
es gibt wohl keinen verstandesgemäß denkenden Menschen, der sich nicht schon einmal die Frage gestellt hat, wie es sein wird, wenn seine Tage hier auf Erden gezählt sind. Die Antworten darauf werden unterschiedlich sein. Es gibt Menschen, die sagen: mit dem Tod ist alles aus. Und es gibt wiederum andere, die davon ausgehen, dass sich mit dem Tod ein neues Tor öffnet.
Zur letztgenannten Kategorie gehören die Christen. Auch wenn für sie der Gedanke an die Ewigkeit ein undurchdringliches Geheimnis bleibt, so gehört der Glaube an ein ewiges Leben zum christlichen Leben wie selbstverständlich dazu. „Wir verkündigen, wie es in der Schrift heißt, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9), schreibt der Apostel Paulus.
Was bedeutet es eigentlich, wenn uns Christen gesagt wird, dass Jesus als König (gemeint ist damit seine göttliche Souveränität) über das gesamte Weltgeschehen einmal richten wird? Die Antwort kann doch eigentlich nur lauten: In diesem Augenblick wird einem jeden bewusst, dass keiner das Leben so versteht wie ER. Und dass auch keiner so lieben kann wie ER. Dann werden wir wahrscheinlich sagen: Wenn ich auch nur geahnt hätte, wie nahe Du, mein Gott und König, mir in meinem Leben gewesen bist, dann hätte ich auch ganz anders auf Dich gesetzt, dann hätte ich auch ganz anders mein Leben gestaltet.
Es wird uns dabei auch aufgehen, wie Christus uns in jedem Menschen nahe war, auch in jenen, die wir für unbedeutend hielten, in den Abgeschriebenen, auch Menschen, denen wir selber das Leben schwer gemacht haben. Im Vergleich zu seiner göttlichen Liebe werden wir sehen, wie unbarmherzig und selbstsüchtig wir mit anderen umgingen.
Wer nicht an ein ewiges Leben glaubt, mag gewiss aus humanitären Erwägungen ein anständiges Leben führen. Wer jedoch als Christ an die ewige Liebe glaubt, erinnert sich gern an die Worte, die Jesus auch heute einem jeden von uns sagt: „Was ihr für einen meiner geringsten Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Dann mag sich für uns das Wort Jesu erfüllen: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist“ (Mt 25,34).
Unser Glaube an das ewige Leben möge durch Jesu Worte neue geistliche Nahrung bekommen.
Pfarrer Wolfgang Guttmann