- Ich glaube an die Existenz Gottes, weil es für mich absolut nicht hinnehmbar wäre, mir vorstellen zu müssen, dass so viele Milliarden Menschen bisher alle einem Trugschluss verfallen sein sollten, nur weil sie von der Existenz eines Weltenschöpfers oder einer letzten Urkraft zutiefst überzeugt waren. Viele davon haben ja nicht nur an ihn geglaubt, sie haben ihr ganzes Leben nach ihm gestaltet und aus diesem Glauben heraus Großartiges geschaffen, in ihrem Leben wie auch in der Kunst. Viele haben dabei ihr Leben für ihn hingegeben. Soll dies alles umsonst, sinnlos gewesen sein? Für mich ist das nicht vorstellbar!
2. Ich glaube an die Existenz Gottes, weil die unglaublich intelligente und komplexe Ordnung, Vielfalt und Schönheit unserer Welt, unseres gesamten Kosmos darauf hinweist, dass es da „jemanden“ geben muss, der dies alles kreativ geplant, erschaffen, geordnet hat und am Leben erhält.
3. Ich glaube vor allem an Gott, weil ich an die Existenz Jesu glaube, der sein gesamtes reales Leben unbeirrbar bis in den Tod hinein nur einem Ziel geopfert hat, uns „seinen“ Gott zu offenbaren – einen Gott, der mit uns Menschen in einem persönlichen, liebenden Dialog steht und wie ein Vater und eine Mutter zu uns ist. Dieser Gott kam als Kind in unsere Welt. Ich bekenne mich gerade deshalb zu Jesus, weil in seinem Leben und in seiner Lehre das „Kleine“ immer so große Beachtung fand. Er stellte ein kleines Kind in die Mitte, als es um große Maßstäbe ging. Er drohte Schreckliches an, sollte jemand einem dieser Kleinsten ein Ärgernis geben. Er übersah nie das stumme Elend auf seinem Weg, übersah nicht den kleinwüchsigen Zachäus auf einem Baum. Er bewunderte und lobte die arme Witwe, die ihr kleines Scherflein in den Opferkasten legte. Es rührte ihn an, wenn ein Hilfesuchender ihn auch nur berührte. Er wollte für die schwachen Menschen immer eine Hoffnung sein, das „geknickte Rohr nicht brechen“ und den „glimmenden Docht nicht auslöschen“.
4. Mit unserer eigenen Existenz ist die menschliche Grundfähigkeit untrennbar verbunden, grundsätzlich das Gute vom Bösen unterscheiden zu können. Dabei ist Gott für mich der absolute Bezugspunkt, die Richtschnur meines moralischen Handelns, das rein biologisch nicht zu erklären ist. Ich glaube deshalb an die Existenz Gottes, weil ich an die Existenz meines Gewissens glaube, an jene innere Stimme, von der Goethe einmal gesagt hat: „Ganz leise spricht ein Gott in unsrer Brust, ganz leise, aber ganz vernehmlich, er zeigt uns an, was zu ergreifen ist und was zu fliehen.“
5. Ich glaube an die Existenz Gottes, weil Liebe existiert, mit allen Sinnen spürbar und erlebbar ist und weil ich auch davon überzeugt bin, dass „Gott die Liebe ist; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (1 Joh 4,16). Diese Liebe ist „stärker als der Tod“ (vgl. Hohes Lied 8,6).
6. Neben der Liebe gibt es in unserem Leben immer wieder etwas, das wir Hoffnung nennen, die Sehnsucht nach Heil, Ganzheit, Himmel oder Vollendung. Hoffnung ist für mich so etwas wie das „Verliebtsein ins Gelingen“, so Jürgen Moltmann, und Verliebte lassen sich die Liebe nicht weg reden oder verbieten. Deshalb ist die Hoffnung immer „das Letzte, das stirbt“, um dann erfüllt zu werden.
7. Gerechtigkeit gehört für mich existentiell zu der Vorstellung einer menschlichen Gesellschaft. Auch hier ist Gott für mich die letzte, absolut verbindliche moralische Instanz, vor der ich mich einmal zu verantworten habe. Dort, wo Gott verschwindet, dort verschwindet auch bald der Mensch, die Menschlichkeit.
8. Jenseits unserer rein materiellen Welt existiert für mich eine Welt des Geistigen. Die zerstörte Einheit von „Materie“ und „Geist“ muss wieder ein Ganzes werden. Vom Wortstamm her hat „Materie“ etwas mit dem „Mütterlichen“ zu tun, jenem „Urgrund“, der uns eine ganz bestimmte Art des Seins zu schenken in der Lage ist: nämlich Mensch zu sein, dass wir uns immer und überall als eine Einheit begreifen, als einen ständigen Dialog zwischen einem „stoffgebundenen Geist“ und einem „geistbegabten Stoff“. Dabei zeigt uns die moderne Quantenphysik, dass es gerade das Allerwinzigste in unserer Welt ist, das „die Wahrheit wieder aus dem Grab eines materialistischen Stoffwahns herausführt und die Türe öffnet in die verlorene und vergessene Welt des Geistes“, so der berühmte Physiker Max Planck.
9. Ich glaube an die Existenz Gottes, weil Jesus sie uns in einer verständlichen Alltagssprache, in vielen Gleichnissen, Geschichten und Symbolen nahegebracht hat. Jesus hat sich in einmaliger Weise mit uns Menschen solidarisch erklärt: „Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“ (vgl. Matth 25,35-36).
10. Diesem Jesus vertraue ich, wenn er sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,25-26). An der Schwelle des Todes stoßen wir zwar immer wieder hart an die Grenze unserer Erfahrung, aber hier entsteht eine Situation, die unser Herz einlädt, zu springen, zu springen über alle Gräben des Zweifelns hinweg, mit der Kraft der Hoffnung und dem Mut der Liebe. Dann ist der Tod kein Abbruch, sondern ein Aufbruch in etwas Neues, nicht das Ende, eher eine Wende, kein Untergang, sondern eher ein Übergang.
Was genau trennt eigentlich den Glaubenden vom Nichtglaubenden? Ich weiß es nicht. Es sind wohl unterschiedliche Lebenserfahrungen und Lebenssituationen. Vielleicht liegt ja einer der Gründe auch nur in jenem prophetischen Hinweis: „Sucht ihr mich, so findet ihr mich. Wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt, lasse ich mich von euch finden.“ (Jer 29,13-14). In einem hebräischen Sprichwort heißt es: „Wer Gott eine Elle entgegengeht, dem läuft Gott zwei entgegen“.
Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de
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