Wüstenzeiten

Bild: Jim Wanderscheid In: Pfarrbriefservice.de

Diese Pandemie hat uns den Boden unter unseren Füßen weggerissen. Sie bedroht und raubt unsere Gesundheit, ja sogar unser Leben. Sie trennt uns von unseren Familien und Freunden, sie gefährdet und vernichtet Existenzen. Sie setzt der Sorglosigkeit, der gelösten Freude ein Ende. Sie besetzt unser Denken jeden Tag. Und die Unsicherheit dauert an- wie lange noch?

Die Pandemie lässt mich erahnen, wie es Menschen ergeht, deren Leben durch Krieg, durch eine lebensbedrohende Krankheit, durch andauernde Existenznöte, Hunger oder Gewalt plötzlich jede Sicherheit und Leichtigkeit verliert. Und immer wieder drängt sich mir die Frage auf: Was ist mit Gott? Gibt es ihn? Warum trifft uns diese Pandemie? Warum trifft es ausgerechnet die Armen und Benachteiligten wieder am meisten? Hilft unser Gebet? Greift Er ein?

Das Volk Israel war 40 Jahre in der Wüste.  40 Jahre, das bedeutet eine Lebensspanne lang.  40 Jahre auf der Suche nach Freiheit und einem guten, erfüllten Leben mit ihrem Gott. In dieser Zeit haben die Israeliten alles erlebt: Große Not, Zweifel, immer wieder Rettung aus höchster Not, Gemeinschaft und Zerstrittenheit. Diese Zeit in der Wüste war aber auch jene Zeit, in der Mose und das Volk Gott näher kamen. Sie fragten nach Gott und erfuhren seinen Namen: Ich bin der „Ich bin da- für und mit euch“. Sie erlebten Gott als den, der ihnen oft fern und verborgen erschien, sich aber auch als Retter in größter Not erwies.

In dieser Wüstenzeit entstand zudem die Grundlage des gemeinschaftlichen Lebens der Israeliten, die zehn Gebote – im gemeinsamen Nachdenken des Volkes und im Dialog mit Gott. Diese zehn Gebote sollten allen Gerechtigkeit und Freiheit gewähren.

Können auch wir in dieser „Wüstenzeit“ der Pandemie Gott näher kommen mit unseren Zweifeln an ihm, aber auch mit der Suche nach ihm? Mit  unseren Ängsten um uns, die anderen Menschen, um die Gemeinschaft in unserem Land und weltweit? Haben wir in dieser Zeit nicht auch Erfahrungen von unerwarteter Freundlichkeit, Zusammenhalt, von unglaublicher Schönheit der Natur oder Musik, von beglückenden Begegnungen und Gesprächen gemacht? 

Diese „Wüstenzeit“ kann für uns  eine Zeit der Suche nach Gott, aber auch eine Zeit der Suche nach einem anderen, neuen, guten  Leben für alle in Gerechtigkeit und Freiheit sein. Dann, so vertraue ich, wird Gott sich sehen und erleben lassen als der „Ich bin da- für euch“.

Doris Sander