Tauet, Himmel, den Gerechten

“Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt” (vgl. Lk, 3, 5-6).

Das Lied „Tauet Himmel den Gerechten“ greift diesen Gedankenweg auf. Und es sind auch die Worte, die Jesaja gebraucht:

“Tauet, ihr Himmel, aus der Höhe,
und ihr Wolken, lasst regnen Gerechtigkeit;
die Erde tue sich auf, und es reife das Heil,
und Befreiung sprosse zumal.
Ich, Jahwe, will es schaffen” (Jes 45,8).

Der Text handelt von der Sehnsucht von uns Menschen nach einer gerechteren, heilen Welt. Damals zu Zeiten des Jesaja war es die Sehnsucht der Israeliten, aus der babylonischen Gefangenschaft freizukommen. Und damals hören wir Menschen mit der Frage an Johannes: „Was sollen wir denn tun?“

Und wir Menschen von heute? Viele von uns fühlen sich ungerecht behandelt, fühlen sich zurückgesetzt und verletzt. Geht es uns nicht häufig auch so: wir stehen nach dem Tod eines lieben Menschen am Abgrund, wir wissen wegen geldlicher Not nicht mehr weiter, wir sind betroffen durch eine schwere Krankheit, unser Kind macht uns Sorgen. Es gibt viele Situationen im Leben, wo wir verzweifelt sind, nicht mehr weiter wissen und uns ungerecht behandelt fühlen. Wir klagen an!

Wir denken: Hört das denn nie auf? Wann kommt die Wende in meinem Leben?

Abgesehen von unseren Sorgen – haben wir nicht auch mit Gott so unsere Probleme? Ist er da, wenn wir ihn mal brauchen? Ist es „gerecht“, wenn jemand früh stirbt oder an einer schweren Krankheit leidet? Hat er je auf unsere Gebete gehört?

Haben wir nicht oft mit Gott gerechtet wegen unserer Fehler und Mängel? Haben wir uns auch schon über unser Leben beschwert? Wir zweifeln an diesem Gott!!

Die Zweifelnden suchen ihr Heil, und der einzige Gott hat gesprochen: “Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel, ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil. Ich bin der Herr, der alles vollbringt” (Jes 45,7).

Gott vollbringt alles und lässt alles zu! Wir klagen ihn an!

Dieser Gott, Jawhe, kennt aber seine “Pappenheimer”: er sieht kein willenloses, sofort gläubiges Volk, sondern gleichsam den Ton, der den Töpfer anklagen will. Das heißt: Die Menschen verklagen Gott dafür, selbst so schwach und fehlerbehaftet zu sein. Am Ende doch ein Schöpfungsfehler und damit dem Untergang geweiht?

Wir Menschen stellen Gott selbst in Frage, weil wir unsere eigenen Fehler, unsere Unbeholfenheiten, unsere Grenzen erleiden und erkennen.

Die Schuld wird häufig nicht bei sich selbst, sondern bei “denen da oben” oder dem Gegenüber gesucht. Fast immer geht es um menschliche Selbstüberschätzung, um Stolz, Eifersucht, Habgier und Gewalt. Alle glauben im Recht zu sein – aber ist das “gerecht”?

Welche Richtung schlagen wir ein? “Was sollen wir tun?”, wird Johannes gefragt.

Können wir uns auf diesen Gott verlassen? Bringt er uns “Heil”?

Schauen wir doch einmal zurück: wir sind geboren als Kinder Gottes. Aber je älter wir werden, umso mehr wollen wir eigene Entscheidungen treffen, schaffen uns Abhängigkeiten und werden unzulänglich. Wir kennen dazu die Geschichte aus der Bibel vom Paradies, die uns beschreibt, welche harte Zeiten nach der Loslösung von Gott auf uns zukommen – aber auch welche Hoffnungen wir auf diesem Weg von Gott mitnehmen: …”vermehrt euch…”,  … “macht euch die Erde untertan” : also alles Erfolgsstories.

Und das Wichtigste: wir tragen wir immer sein Abbild in uns. Das bedeutet: Wir wünschen uns eine starke Hand, die uns halten kann, sehnen uns nach der Geborgenheit des “Paradieses” zurück.

Nun erwarten wir zu Weihnachten ein Kind! Ist es das, wonach wir uns sehnen?

Das rote Band durch den Advent in unserer Kirche zeigt den Weg dieses Kindes bis zum Kreuz, aber auch zur Auferstehung!

Was versprechen wir uns also davon?

Ich will diese Hoffnung mit einem Gedicht von Anne Steinwart ausdrücken:

“Nicht aufzuhalten
dieses verrückte Kind
das losrennt
das Leben zu umarmen
das hinfällt
aufsteht und weiterläuft
mit zerschlagenen Knien
Dieses verrückte Kind
das Hoffnung heißt
an Liebe glaubt”

Ich glaube, das ist es: trotz dorniger Wege lässt uns dieser Gott nicht im Stich, er richtet uns wieder auf, geht an unserer Seite und lässt in seiner Liebe, die uns die Hoffnung schenkt, nicht nach.

Aber er fordert uns auch heraus. Zwei Imperativen stehen zu Beginn: “Taue” und “regne”. Und genau darum geht es: Dieser Wunsch an Gott ist sein Wunsch an uns: löse deinen Eispanzer auf, sprenge deine engstirnigen Gedanken und werde gerecht, denn du bist das Abbild Gottes, Gott ist in dir!

“Tauet Himmel den Gerechten” fängt also bei uns an. Lassen wir die Hoffnung, den Trost an uns heran, lassen wir den Eispanzer schmelzen und besinnen wir uns darauf, Heil zu empfangen, aber auch zu spenden. Denn Gott ist mit uns, ist in uns!

So erwarten wir Weihnachten einfach wie ein Kind, ohne Nebengedanken, einfach nur still, geben uns in seine Hand.

Komm, o Herr, es bleibt spannend mit dir, Gott!

(Dr. Christoph Balbach, Quickborn)