Im Evangelium des 4. Fastensonntags heißt es: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.“
Was hat es mit der Schlange auf sich?
Im Alten Testament, im Buch Numeri, wird davon berichtet, dass das Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste von Giftschlangen befallen wurde; viele der Israeliten wurden gebissen und starben. Da trug Gott dem Mose auf, er möge eine kupferne Schlange fertigen und diese an einer Fahnenstange aufhängen. Und Gott sprach, dass jeder, der gebissen würde, am Leben bliebe, wenn er die an die Fahnenstange gebundene Schlange ansähe. Und so geschah es: jeder, der von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb am Leben.
Die an eine Fahnenstange gebundene Kupferschlange wird zum Heilszeichen. Brachte die Schlange zunächst Tod und Verderben, bringt der spätere Blick auf die Kupferschlange Heilung und Leben. Vielleicht deutet sich in diesem Bild schon die Größe und Stärke unseres Gottes an: Unheil und Krankheit werden zu Heil und Gesundung, Tod und Verderben werden zu Leben.
Das Bild von der Schlange ist offenbar nicht nur negativ, sondern auch positiv besetzt. Wir alle kennen aus einem ganz anderen Zusammenhang ein Bild, auf dem auch eine Schlange abgebildet ist: wenn Sie sich das Apothekensymbol vor Augen führen, sehen Sie ein rotes A mit in weißer Ausführung eingezeichnetem Arzneikelch mit Schlange. Oder denken Sie an den Äskulapstab, einen von einer Schlange umwundenen Stab, der das Symbol des ärztlichen Standes ist. Dieser Stab war ein Attribut des Gottes Asklepios, des Gottes der Heilkunde in der griechischen Mythologie.
Die an den Kupferstab gebundene – erhöhte – Schlange wird zum Heilszeichen. Wenn es im heutigen Evangelium heißt „Der Menschensohn muss erhöht werden, wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat.“ dann wird die Parallele sichtbar: so wie die Schlange an der Fahnenstange hing, so wird Jesus, der Menschensohn, am Kreuz hängen. Das Kreuz mit dem Gekreuzigten wird für uns Christen zum Heilszeichen, denn – so bekennen wir im Glaubensbekenntnis – der Tod wird nicht das letzte Wort behalten: zunächst hinabgestiegen in das Reich des Todes, folgt darauf am dritten Tage die Auferstehung von den Toten – Ostern.
Um genau diese Heilszusage geht es im heutigen Evangelium. Weiter heißt es: „Jeder, der an ihn [– den Menschensohn –] glaubt, hat in ihm das ewige Leben. Sosehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“
Das sind tatsächlich frohe Botschaften:
1.: Rettung statt Richten: „Gott will diese Welt nicht richten, sondern retten“, heißt es.
2.: Ewiges Leben: „Jeder, der an ihn glaubt, hat das ewige Leben.“
Und 3.: JEDEM gelten diese Zusagen, nicht nur einem kleinen Kreis von Auserwählten: „JEDER, der an ihn glaubt, hat in ihm das ewige Leben.“
Es sind Zusagen, deren Reichweite unermesslich ist.
Aber, könnte man einwenden, einen Haken hat das Ganze: Nur wenn ich glaube, heißt es im Evangelium, werden mir Rettung und ewiges Leben versprochen. Gottes Zusage ist ein Angebot, für das ich mich entscheiden muss. Kann ich mich dafür entscheiden? Das Bild mit dem Blick auf die Schlange und der damit einhergehenden Rettung – das klingt alles recht einfach. Dass Glaube aber nicht immer so einfach ist, ist eine Erfahrung, die bestimmt viele kennen. Was ist, wenn ich nicht glaube?
Ich kann diese Frage nicht beantworten. Aber ich denke in diesem Zusammenhang oft an eine Stelle in einem der Hochgebete. Da spricht der Priester die Worte: „Und führe zu dir auch alle deine Söhne und Töchter, die noch fern sind von dir“. Dieser Gebetsgedanke schließt bittend all jene ein, die nicht glauben können. Wer glauben kann, ist reich beschenkt.
Einen weiteren Haken, so könnte man die Einwände fortsetzen, ist die Lebensferne der Zusage: Was nützt dem Menschen die Zusage erst auf ein ewiges Leben? Wir leben hier, heute und jetzt. Wir bedürfen der Rettung und Heilung nicht erst nach dem Tod. Die persönlichen Schwierigkeiten des Lebens
sind heute zu bestehen: Krankheiten, die quälen, gescheiterte Beziehungen, Ängste vor der Zukunft, weil die Schule Sorgen bereitet oder der Arbeitsplatz in Gefahr ist. Jeder von uns wird seine eigenen Sorgen haben. Ist ein ewiges Leben nicht viel zu weit weg?
Die Verheißung auf ein ewiges Leben strahlt aus bis in unser Leben heute und jetzt. Wer mit der Gewissheit eines Glaubenden darauf vertraut, dass der Tod nicht das letzte Wort behält, der lebt in der Gewissheit, dass Gott es am Ende gut mit uns meint. Dieses Vertrauen kann den Ängsten in unserem Leben auch heute und jetzt schon ihre Macht nehmen und uns lebendig halten. Vielleicht hilft dabei auch der Blick auf das Kreuz: Wir schauen auf einen Gott, der als Mensch in unsere Welt gekommen ist, der sich trotz all seiner Macht und Größe auf das Leiden eingelassen hat, auf Schmerzen und Tod.
Wie weit die Zuversicht auf das ewige Leben in das Leben heute und jetzt ausstrahlen kann, zeigt das Zeugnis der Lübecker Märtyrer. Am Tage der Hinrichtung schreibt Johannes Prassek an seine Familie: „Was mich erwartet, ist Freude und Glück, gegen das alles Glück hier auf der Erde nichts gilt.“
Oder Hermann Langes Worte in derselben ausweglosen Situation: „Er, der mir den Glauben geschenkt hat, gibt mir auch die Kraft, ruhig, stark und froh das Letzte und Schwerste zu überwinden.“
Es ist unbeschreiblich, was der Glaube an rettender und tragender Kraft in sich tragen kann. Ich wünsche uns, dass wir Gottes Heilszusage glaubend annehmen können und wir die lebendig machende Kraft unseres Glaubens, mit der wir die Sorgen, Nöte und Ängste unseres Lebens bestehen können, erfahren.
(Björn Mönkehaus)
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