Von Menschen und Hunden – Karnevalspredigt von Pfarrer Dr. Bergner

Zum Karnevalssonntag hielt Pfarrer Bergner die Predigt in Reimform.  Für die Leser unseres „Wortes der Woche“ und für andere Interessierte ist Sie hier als solches dokumentiert:

Liebe Schwestern und Brüder,
in meiner Predigt geht es heut
um echte, wahre Menschlichkeit.
Das ist, kennt man das Predigtschema,
ein oft zu find’nes Standardthema.
Um heut auf Menschlichkeit zu sinnen,
möcht‘ doch ganz anders ich beginnen.

Ich meine nämlich zu erkennen,
dass wahres Mitgefühl zu nennen
und Achtung, Zärtlichkeit und Liebe,
nicht das, was uns zum Menschen triebe.
Stattdessen muss man um zu sehen,
was wahre Menschlichkeit ist gehen
zum besten Freund des Menschen hin.
Es ist der Hund. Und das macht Sinn,
denn von den Tier’n die bei uns wohnen
weckt keines mehr an Emotionen.

Zur Überprüfung ist genug
Ein stichwortart’ger Selbstversuch.
Wie denken denken Sie, wenn man erfährt,
dass Nachbar seinen Lumpi schlägt
Und wenn die Zeitung gibt zu wissen,
wie Straßenköter leiden müssen.
Was tun Sie, wenn ein Hund misshandelt,
verwahrlost oder angebandelt,
allein an einem Straßenschild
mit großen traur’gen Augen mild
und voll von Leiden auf Sie schaut?
Ein Bild zum Heulen. Und es baut
sich auf, dass ich auf Rettung sinn‘
für ihn. Mein Herz, es schmilzt dahin.
Für eine Zeitung ist es sauschlau,
berichtet sie vom Leid des Wau-Wau.
Und wenn es eine Headline gibt,
dann die, die stets den Nerv antippt
und Menschen überall entsetzt:
„Ein Hündchen wurde ausgesetzt“!
„Tierquälerei, Skandal, Verhängnis,
wer dieses tat muss ins Gefängnis!“
Was Widerling, was ein Sadist
ein solcher Hundehalter ist!

Ich unterbreche, kurz zumindest,
denn ich fürchte, dass ich indes
missverstanden werden kann.
Ich versteh, wie jedermann,
dass dem Hund, wie and’ren Tieren,
Respekt und Freundlichkeit gebühren.
Niemand soll die Hunde schlagen,
jeder sich korrekt betragen.
Mir geht’s bei dieser Themenhörung
In erster Linie um Empörung.
Ich frag mich doch, woher es kommt,
dass offensichtlich ungesund
es ist, was gegen Hund‘ zu sagen,
doch geht’s genauso an den Kragen
mir, wenn ich über Menschen sprech’?
Ist da die Welt nicht auch so schlecht?
Ein ausgesetzter Hund? Geht nimmer!
Ein ausgesetzter Mensch ist schlimmer!
Und dennoch scheint mir, dass geduldet,
wenn Menschen ausgesetzt, geschuldet
meist zum großen Teil
so manchem hartem Vorurteil.

Doch langsam, erst einmal zurück,
geht zunächst unser scharfer Blick.
Vom Aussatz, denn da geht es drum,
erzählt das Evangelium.
Zunächst, wenn man genau hinschaut,
geht es um Aussatz auf der Haut.
Die Krankheit, Krätze, ein Lipom,
galt damals ja als ein Symptom.
Sie stand im Denken dieser Zeit
für innerliche Unreinheit.
Beim Mensch’, der schlecht und sündig ist,
das Schlechte sich nach außen frisst.
So steckt er nicht nur mit den Keimen,
Nein, auch mit Sünde an die Reinen.
Drum muss mit Aussatz und Beschwerden,
ein solcher ausgesondert werden.
Sein Aussatz ist nicht bloß banal,
ne’ Krankheit, nein, er ist sozial.
Die Häuser sind ihm nicht mehr offen,
er muss auf Heilung draußen hoffen.
Er lebt mit anderen Verletzten
da draußen bei den Ausgesetzten.

Wie ist es aber hier und heute?
Schau ich auf unsre heut’gen Leute,
dann kann ich offensichtlich seh’n
der Hautaussatz ist kein Problem.
Ob Krätze, Schuppen, einerlei,
für alles gibt’s ‘ne Arzenei.
Doch Heilung durch Arzneigebrauch –
Gilt’s für sozialen Aussatz auch?

Ich glaube nicht, doch bin ich klug
Und starte einen Feldversuch:
Mein erstes Ziel ist ein Café,
dort sitzt bei Torten und Baisser
zu einer mittäglichen Stunde,
die wohlvertraute Damenrunde.
Man trifft zusammen viele Male
Und tauscht sich aus über Skandale:
„Sag hast Du etwa schon gehört,
der Meiers Ehe ist zerstört.“
„Kein Wunder“, eine zweite grient,
„die Eva Meier hat‘s verdient.
Wollt sie nicht stets was Bess‘res sein,
hat groß getan doch nur zum Schein,
hat schlank gehungert die Figur
und blond gefärbt sich die Frisur,
trug gern und häufig teuren Schmuck,
und trank doch heimlich gern ‘nen Schluck,
Im Grunde das auch jeder wusste,
war klar, dass das mal schiefgehen musste.“
Und sich nicht schämend seiner Worte
Beißt schadenfroh man in die Torte.

Und weiter zieh ich dann herum
Hör mich auf einem Schulhof um.
Da spielen nach der Mathestunde
Die Kinder schon in froher Runde.
Nur einer steht daneben schnöde.
Es ist der Peter. Er ist blöde.
Und auch Sabrina, die spielt nicht,
denn sie ist dick und pickelig.
Und was sollt‘ Lisa denn dabei schon,
die hat noch nicht einmal ein I-Phone.
Der Moritz, der ist gar nicht cool,
und „Iih, der Jonathan ist schwul!“
Als ich mich fragend zu ihm hocke,
ertönt schon schrill die Pausenglocke.
Im folgenden Sachunterricht
Man heute über Mobbing spricht.
Und alle sind hier eines Sinnes,
verurteil’n Mobbing als was Schlimmes.

Jetzt geht es weiter, in ein Haus,
wo man zum feinen Abendschmaus
mit Gästen völlig ungeziert
frei von der Leber konversiert.
Ein Herr erzählt vom Winterurlaub,
wo er doch, hätte man’s geglaubt,
gesehen auf den schönsten Pisten
Ne‘ Menge von Pauschaltouristen.
„Jetzt hat der Pöbel, unverfroren,
sich unser Urlaubsziel erkoren,
der Fritten fressend, Schnäpse saufend,
kitschige Andenken sich kaufend,
vom Sonnenbrand schon rot verkopft,
den schönen Skiort uns verstopft.
Unmöglich, selbst die beste Fahrt,
versaut mir das Prekariat.
Der Politik, die uns am längsten
warnt vor sozialen Abstiegsängsten
Der kann ich nur den Vogel zeigen,
sie sollten einmal dort absteigen.
Da schwillt in mir dann doch die Wut,
den meisten geht’s doch viel zu gut.“

Genug, ich glaube, ich erspar,
was wird auf facebook offenbar.
Dort setzt ganz offen, frei heraus,
man jeden bald dem Aussatz aus.
Ob Flüchtlinge und Journalisten,
ob Gutmensch, Banker, Polizisten,
ob Spitzensportler, Bürgermeister,
ob Aktionäre, Postdienstleiter,
ob Siemens oder Deutsche Bahn,
Sozialschmarotzer, Liderjahn,
ob Demonstranten, Geldverschwender,
ob Ärzte oder Onlinehändler,
ob Bischöfe oder Muslime:
Verbrecher sind es, raus mit ihnen!
Wenn alle die der Aussatz treibt,
dann fragt sich, wer noch übrig bleibt.

Mal ehrlich, ich bin auch betroffen,
halt meine Vorurteile offen.
Statt gegen diese mich zu impfen,
erwisch ich selber mich beim Schimpfen.
Und dann mein innerlicher Christ,
mich fragt, ob das wohl richtig ist.

Im Evangelium von heute,
sieht Jesus anders auf die Leute.
Ohn’ Vorurteil geht er zu Tat
Und heilt wer einen Aussatz hat.
Wer draußen war, ist drinnen wieder,
und aufrecht steht, wer lag darnieder.
Für diese Haltung gibt es Gründe,
vergeben kann man nämlich Sünde,
und überseh’n der Andren Schwächen,
und über Fehler kann man sprechen.
Sein Mitgefühl, das darf man teilen
Und Wunden, die sind da zum Heilen.
Ein solches Tun, so kann man sagen
Ist wirklich menschliches Betragen.

Ein Hund, ob er wohl so was kann?
Er bellt gern seinen Gegner an.
Er kennzeichnet stets sein Revier,
er denkt und handelt wie ein Tier.
Für solch ein tierisches Benehmen
Muss sich der Hund auch gar nicht schämen.
Doch lass den Hund sein, wie er ist,
bedenke, dass ein Mensch du bist.
Verletzlich, fehlerhaft und schwach,
jedoch auch liebenswert, gemocht,
geliebt, geschätzt, gewollt
und Gott dir seine Achtung zollt.
Denn dazu sind wir auserwählt,
dass Aussatz nicht, doch Einsatz zählt
und Friede, Güte und Erbarmen,
das kommt von Gottes Herzen. Amen.

(Pfarrer Dr. Georg Bergner)