Das Evangelium dieses Sonntags erzählt davon, dass Jesus am Sabbat in der Synagoge in Kafarnaum gelehrt hat. Der Inhalt dieser Predigt wird nicht erwähnt, aber es heißt, dass Jesus mit “göttlicher Vollmacht” lehrte, offenbar anders als die Schriftgelehrten das üblicherweise taten.
Die gesellschaftlichen Systeme zu Lebzeiten Jesu 0waren geprägt von autoritärer Macht. Die Römer herrschten politisch und wirtschaftlich in Palästina und verteidigten ihre Macht zum Teil mit größter Brutalität. Auch die religiöse Struktur war streng hierarchisch geregelt und nicht weniger rigoros. Die Macht wurde sichtbar und spürbar von “oben” nach “unten” ausgeübt.
Jesus setzte mit all seinen Predigten, Gleichnissen und Handlungen diesem Prinzip etwas Überzeugendes entgegen. Das Auftreten in der Synagoge in Kafarnaum, bei dem er die Zuhörerschaft nachhaltig beeindruckt hat, bei der die Zuhörer diese besondere Aura und Authentizität Jesu spüren, beschrieben als die göttliche Vollmacht, war sicher eine Gelegenheit, die Macht von „oben“ nach “unten” in Frage zu stellen. Jesus hat von Anfang an die Macht anders definiert.
“Ich bete an die Macht der Liebe”, dieses Lied wird häufig in der Weihnachtszeit und bei feierlichen Anlässen – auch in der Kirche – gespielt und gesungen, früher noch wesentlich häufiger als heute. Ich nehme an, Sie kennen das Lied mit seiner anrührenden Melodie. Es wurde Mitte des 18. Jahrhunderts von Gerhard Tersteegen (1697-1769) gedichtet und später in Russland vertont.
Ich bete an die Macht der Liebe, – die sich in Jesus offenbart.Ich geb‘ mich hin dem freien Triebe – wodurch auch ich geliebet ward.Ich will, anstatt an mich zu denken – ins Meer der Liebe mich versenken.
O Jesu, dass dein Name bliebe – im Grunde tief gedrücket sein! Möchte deine süße Jesusliebe – in Herz und Sinn gepräget sein!Im Wort, im Werk und allen Wesen – sei Jesus und sonst nichts zu lesen.
In Verbindung mit der Liebe erhält der Machtbegriff – nicht nur in diesem Lied – eine völlig neue Bedeutung.
Im Evangelium sind viele Beispiele für die Macht der Liebe genannt, die Seligpreisungen, “der Höchste soll der Diener aller sein”, “die Geschichte vom verlorenen Sohn” usw. Ein beeindruckendes Ereignis drückt die andersartige Verhaltensweise Jesu in besonderer Weise aus: Als die als Sünderin bekannte Ehebrecherin gesteinigt werden soll, setzt Jesus das Gesetz nicht außer Kraft. Er verurteilt weder diejenigen, die auf der Basis des geltenden Rechts die Steinigung durchführen wollen, noch die Ehebrecherin. Er hätte sicher die Steinigung durch eine große Geste, durch ein im herkömmlichen Sinne “machtvolles” Eingreifen verhindern können. Aber Jesus malt nur – fast unbeteiligt – im Sand. Ihn muss auch in diesem Augenblick diese besondere Aura umgeben haben, denn in der aufgeheizten Atmosphäre hörte ihm jeder zu als er die Steinigung mit den Worten verhindert: “wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein”.
Auch wenn uns diese besondere Aura nicht umgibt, sind wir durch die Frohe Botschaft Jesu Christi gleichwohl ermutigt, im Rahmen unserer Möglichkeiten mit Worten und Werken der Liebe die Welt besser zu machen. Und wir wissen Jesus – die Macht der Liebe – an unserer Seite.
(Jürgen Kuper)
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