Berufung

Gott beruft Menschen. Eine solche Erzählung steht im Alten Testament im Buch Samuel. Der kleine Samuel schläft im Tempel, als der Ruf Gottes an ihn ergeht. Er wird ausgewählt, Gottes Wort zu hören und es weiterzugeben.

Die Szene ist bekannt als eine der großen Berufungsszenen des Alten Testaments. Diese Szenen sind immer ähnlich: Gott sucht sich Menschen aus, die für seinen Plan mit Israel eine besondere Rolle spielen sollen. Nur sie können direkt mit Gott sprechen. Zu den Berufenen gehören Noach, Abraham, Mose, später David, Salomo, Elija, Jesaja oder Ezechiel, also die Stammväter, Könige und Propheten. Wenn wir heute von Berufung sprechen, dann klingen diese Geschichten mit. Die Berufung ist etwas Besonderes, Ungewöhnliches. Menschen werden zu einem ganz besonderen Dienst für Gott gerufen. Daher spricht man von Berufungen bei Priestern und Ordensleuten, Menschen, die zu einem besonderen Gottesdienst ausgesondert und bestimmt werden. Die Berufung der Jünger im neuen Testament scheinen das zu bestätigen. Aber da ist noch mehr. Jesus kennt nicht nur die speziell an eine Person gerichteten Berufungsworte, sondern er richtet die Berufung an ganz Israel: “Kehrt um und glaubt an das Evangelium”, “das Reich Gottes ist euch nahe”, “wer meinen Willen tut, der ist für mich Bruder, Mutter und Schwester“. Die Berufung ist an viele gerichtet.

Ist also die Berufung etwas ganz Spezielles, oder etwas ganz Allgemeines? Wer unter der Berufung eine bestimmte Berufswahl versteht, liegt damit falsch. Die Berufung ist mehr. Sie ist der Anspruch Gottes, seine Einladung, an seinem Plan für die Welt teilzuhaben. Die Berufung ist ein Lebensprojekt: Wo findet mich Gott in meinem konkreten Leben. Wie will er mein Leben unter seiner Führung gestalten? Das Versprechen ist: Wer seiner Berufung folgt, wird Freude, Frieden und Trost in seinem Leben finden. Sein Leben gewinnt an Tiefe und Qualität. Daher ist die Berufung ein Lebensprojekt. Sie ist allgemein, weil sie jeden Menschen meint und sie ist speziell, weil die Berufenen ihrem Leben ihren eigenen, unverwechselbaren Ausdruck verleihen.

(Pfarrer Dr. Georg Bergner)