Liebe Schwestern und Brüder,
die Osterkerze gehört zum ältesten Brauchtum der Kirche. Im Exsultet, dem liturgischen Osterlob, wird sie besungen als eine festliche Gabe, „um in der Nacht das Dunkel zu vertreiben“. Dabei erinnern wir uns an die Worte Jesu: „Ich bin das Licht, das in die Welt gekommen ist, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt“ (Joh 12,46).
Ostern feiern Christen die Auferstehung Jesu. Das Ereignis der Auferstehung hat die Welt verändert. Die Ursehnsucht des Menschen, unsterblich zu sein, ist durch die göttliche Macht der Auferweckung Jesu endlich Wirklichkeit geworden. Wenn Gott das Leben der Menschen so gravierend verändert, dann erfüllt es uns zunächst mit tiefer Freude und Dankbarkeit. Das Geschehen der Auferstehung will aber auch Auswirkungen haben auf das Zusammenleben der Menschen untereinander.
Die frühen Christen der Urgemeinde in Jerusalem besaßen diese Einsicht. „Alle, die gläubig geworden waren“, so steht es in der Apostelgeschichte (2,44f), „bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte.“
Für einen Getauften begann auf diese Weise eine neue Lebensgeschichte. Wer durch Taufe in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen wurde, fühlte sich anderen gegenüber verantwortlich, und das nicht nur in geistlicher Hinsicht, sondern auch vom alltäglichen Leben her. Solidarisch zu sein mit denjenigen, die Kummer und Sorgen haben, gehörte zum Leben der Urgemeinde dazu. Not sollte gelindert werden. Wenn man berücksichtigt, dass in der christlichen Urgemeinde das Eucharistische Mahl in der Regel zugleich auch ein Sättigungsmahl war, dann kann man die hohe Anziehungskraft der frühen Christengemeinde sehr gut verstehen.
Diese Erfahrung der Urgemeinde ist für uns heutige Christen sowohl Herausforderung als auch Ermutigung. Sie lässt uns fragen, wieviel von der Neuheit der göttlichen Botschaft am aktuellen Leben unserer christlichen Gemeinden auch in unserer Zeit ablesbar ist.
„Ihr sollt ein Segen sein“ – unter diesem biblischen Leitwort des alttestamentlichen Buches Genesis (12,2) finden sich Kirchengemeinden des Patoralen Raumes Südholstein zusammen. Sie gehen den Weg des Glaubens künftig gemeinsam. Das Motiv der frühchristlichen solidarischen Gemeinschaft wird mit diesem Leitwort weitergeführt.
Wir können den kreativen Gestalterinnen der diesjährigen Osterkerze nicht genug danken, dass sie sich dieses Leitwortes angenommen und die Osterkerze mit diesem impulsgebenden Motiv ausdrucksstark versehen haben.
In silbernen Lettern steht das Wort „Ihr sollt ein Segen sein“ auf sechs durch Größe und Farbe sich unterscheidenden Wasserwellen. Sie geben die Anzahl der zum Pastoralen Raum sich hinbegebenden Gemeinden wieder. Segen besitzt eigene geistliche Dynamik. Segen verändert, wenn Menschen zur Bereicherung und zum Wohlergehen beitragen für den Nächsten. Die Farbänderung jedes einzelnen Segentropfens weist darauf hin. Wer zum Segen für andere wird, trägt zur Veränderung des Lebens anderer bei. Bereichert aber auch sein eigenes Leben.
Eine nachdenklich machende Betrachtungen des schweizerischen Theologen Pierre Stutz (*1953) gibt diese Einsicht wieder:
Segen bist du
mit deiner wohltuenden Ausstrahlung
mit deiner schmerzvollen Verletzlichkeit
mit deiner ansteckenden Versöhnungskraft
Segen bist du
mit deinem herzhaften Humor
mit deiner einfühlsamen Sympathie
mit deinen engagierten Visionen
Segen bist du
mit deinem unscheinbaren Dasein
mit deinem schweigenden Mittragen
mit deinem kraftvollen Zupacken
Segen bist du
mit deiner authentischen Offenheit
mit deiner ehrlichen Begrenztheit
mit deinem begeisterungsfähigen Blick.
Der Glaube an die Auferstehung Jesu will, wie im Leben in der Jerusalemer Urgemeinde, auch unser eigenes Leben verändern und bereichern. Der auferstandene Christus gibt unserem Leben neuen Glanz. Das Licht der Osterkerze erinnert uns daran. Auch durch unser Zutun möge es im Leben aller uns Nahestehenden heller werden.
(Pfarrer Wolfgang Guttmann)
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