Liebe Schwestern und Brüder,
was kommt nach dem Tod? Gibt es einen Menschen, der sich diese Frage nicht stellt? Der Tod ist die unmittelbare Bedrohung des Lebens. Deswegen stellen Menschen diese Frage immer wieder neu, heute wie früher. Bei Ausgrabungen finden Forscher sichtbare Hoffnungszeichen an ein Weiterleben nach dem Tod. Auch Grabbeigaben sind Zeichen dafür.
Trotzdem gibt es immer auch Leugner. Dazu gehörten auch die Sadduzäer, wie im Lukasevangelium (20,27-38) zu lesen ist. Diese Gruppe des Judentums, deren Ursprung und Entwicklung noch heute im Dunkeln liegen, wird die positive Einstellung Jesu zu einem Leben nach dem Tod gekannt haben. Die Sadduzäer wollten Jesus provozieren und seine Rede an den Glauben an ein Weiterleben nach dem Tod lächerlich machen. Jesus nimmt diese Herausforderung an. Zeigt zugleich jedoch auch auf, dass das Leben nach dem Tod ganz anders aussieht als hier auf Erden, so auch, dass Ehepaare als Mann und als Frau im Himmel nicht so zusammen leben werden wie hier auf der Erde. „Schade“, sagte während eines Bibelgesprächskreises ein Ehepaar. „Wahrscheinlich gibt es dann andere erfüllende Augenblicke, die Gott uns im Himmel bereithält“, ergänzte ein anderes Ehepaar.
Jesus redet des Öfteren vom Leben nach dem Tod. Er verwendet das abstrakte Wort von der Herrlichkeit, die jenseits liegt unserer irdischen Welt. Zugleich verwendet er auch eine Bildsprache, die eher bescheiden ist. Bei seinem Sterben am Kreuz wird Jesus ein vertrauensvolles Wort sprechen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Gemeint sind hier die tragenden Hände des himmlischen Vaters. Eine Bildsprache vom Paradies verwendet Jesus, als er sich am Kreuz an einen der Mitgekreuzigten wendet und sagt: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Auch spricht Jesus bildhaft von Wohnungen, der er uns als Auferstandener bereithalten wird: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?“ (Joh 14,2)
Welches Argument hätten wir Christen, um sagen zu können, es gäbe ein Weiterleben nach dem Tod? Natürlich könnten auch wir Christen sagen, dass auch die Natur kein spurloses Verschwinden kennt. Die Natur kennt kein Zurückführen ins Nichts. Die Natur kennt vielmehr die Umwandlung. Die Raupe und der Schmetterling ist in diesem Zusammenhang ein ausdruckvolles Zeichen.
Es gibt wiederum Christen, die berufen sich auf persönlich gemachte Nahtoderfahrungen, also Erfahrungen in lebensbedrohender Lage. Solche Erfahrungen sind bei einigen umstritten. Die einen deuten es als Beeinträchtigungen von Gehirnfunktionen. Andere finden die Sicht von außen auf den eigenen Körper sowie Tunnel-, Licht- und Jenseits-Erscheinungen so beeindruckend, dass sie diese als echt annehmen und ihr gesamtes Leben neu ausrichten.
Christen könnten auch von dem besonderen Charisma der Liebe sprechen. In seinem Hohen Lied über die Liebe spricht der Apostel Paulus: „Die Liebe hört niemals auf“ (1 Kor 13,8). Die Liebe besitzt also Ewigkeitswert. Es bedeutet, was einmal aus Liebe heraus entstanden ist, das bleibt.
Darüber hinaus gibt noch ein weiteres Argument, ich halte es für das überzeugendste: die Auferstehung Jesu. Die vielen Berichte der Heiligen Schrift sind zusammengenommen so überzeugend, dass ein Weiterleben nach dem Tod zu leugnen für mich weitaus schwieriger ist. Es gibt ja nicht allein das leere Grab. Das Geheimnis der Auferstehung geht darüber hinaus. Als Auferstandener ist Jesus vielen Menschen erschienen. Und dieses Zeugnis gaben die Frauen und Männer weiter. Davon ist die Bibel voll. Diese Zeugnisse bewirken bei mir eine starke Sicherheit im Glauben an ein Leben nach dem Tod. Jesus lebt, davon bin ich fest überzeugt. Das mein Glaube, das ist unser Glaube.
Dieser christlicher Glaube an ein Weiterleben stellt sich ganz anders dar als in der Zeit der Antike. Man glaubte in dieser Epoche auch an ein Weiterleben nach dem Tod. Der Ort des Weiterlebens war jedoch so ganz anders. Es war die Unterwelt, es war das Reich der Toten, es war das Reich der Schatten, der Hades (= griech.), wohin man vom Fährmann über ein Grenzwasser geleitet wurde.
Ganz anders das Christentum. Das Weiterleben nach dem Tod hat nichts mit Dunkelheit zu tun, sondern mit Helligkeit, Glanz. Im Festsaal des ewigen Lebens brennt bereits das Licht. Gott ist selber das Licht. Das ist eine ganz andere Welt. Sie merken, wie uns diese Gedanken gut tun.
In diese Richtung geht auch ein Lied, welches auf Eric Clapton (*1945), berühmter Sänger und Gitarrist, zurückgeht: „Swing low, sweet chariot, coming for carry me home.“ Auch dieses Lied singt von der Ewigkeit und spricht davon, dass wir im Sterben nach Hause kommen. Und auf dem Weg dahin werden wir sanft getragen – bildhaft von einer Kutsche, chariot. „Swing low, sweet chariot“: „Schaukle sanft, liebliche Kutsche, du kommst, um mich nach Hause zu führen.“
Tröstend die dritte Strophe: „The brightest day that I can say, when Jesus washed my sins away“. Also: „Der leuchtendste Tag, so kann ich sagen, war, als Jesus meine Sünden wegwusch. Er kommt, um mich nach Hause zu führen.“
Was kommt nach dem Tod? Den Hinweis dazu gibt Jesus selbst. Das Beste des Lebens kommt noch, das Beste des Lebens hält Gott für uns bereit. Jesus kommt selber, um uns nach Hause zu führen.
Pfarrer Wolfgang Guttmann