Liebe Schwestern und Brüder,
jene Männer, die ich während meines Theologiestudium kennenlernen durfte und sich später entschlossen, als Seelsorger in die Mission zu gehen, waren ganz besonders interessante Mitbrüder: rigorose Lebenseinstellungen gab es bei ihnen nicht, die kirchliche Dogmatik trugen sie auch nicht vor sich her und sie waren offen für neue Formen von Lebenskulturen. Vor allem hatten sie eine sensible Nähe zu den Menschen und schätzten sie in ihren Idealen. Nachdem die Priester später in ihren jeweiligen Missionsstandorten seelsorglich tätig waren und sie dann hin und wieder für einige Zeit ihre Angehörigen besuchten, freuten sie sich, baldmöglichst in ihre Missionsländer zurückzukehren. Nicht allein, dass sie sich da wohl fühlten und längst in ihrem asiatischen oder afrikanischen Land angekommen sind. Nein, sie sagten auch, dass das öffentliche Leben hier in unserem deutschen Land anders geworden sei, irgendwie ein Stück nüchterner und kühler.
An Sonntag, 23.10. wird der Sonntag der Weltmission begangen, in diesem Jahr zum 90. Mal. Papst Pius XI. rief 1926 den Monat Oktober zum Weltmissionsmonat aus. Damit bekräftige der Heilige Vater zugleich das Werk MISSIO mit seinem Sitz in Aachen. Initiiert wurde diese Einrichtung von einem Arzt, der zuvor zufällig von einem anderen Missionsverein im französischen Lyon zu hören bekam. Dieser in Aachen ansässige Mediziner wollte den Kölner Bischof, Aachen gehörte damals noch zum Bistum Köln, von seinem Anliegen überzeugen. Der Nachfolgebischof ließ sich schließlich für diese Idee gewinnen. 1841 wird eine Bruderschaft (Verein) gegründet. Die Bewegung breitet sich so aus, dass Papst Pius XI. schließlich dieses Missionswerk anerkennt. Aachen wird damit offizieller Verwaltungssitz des Werkes MISSIO.
Mission war ein besonderes Anliegen vor allem der Ordensleute. Eigene Ordensgemeinschaften wurden gegründet wie z. B. die Steyler Missionare. Wegen des Kulturkampfer konnte der vom Niederrhein stammende Arnold Janssen in Deutschland keine Klostergründung vornehmen. Im niederländischen Steyl (heute Stadtteil von Venlo) konnte der charismatische Priester ein Missionshaus gründen. Aus diesem gingen die Steyler Missionare hervor. Ab 1875 wuchs eine internationale Ordensgemeinschaft von vielen Männern und Frauen heran. Noch heute setzen sich die Steyler Missionare in über 40 Ländern der Welt für das Anliegen der Weltmission ein.
Bekannt sind auch die Missionsbenediktiner. Die benediktinische Lebensform wird hierbei verbunden mit dem Einsatz für die jungen Kirchen in anderen Kontinenten. Zu den Missionsbenediktinern gehören die Klöster in Münsterschwarzach, St. Ottilien, Meschede und Schweiklberg. Die Benediktinerinnen von Tutzing stellen den weiblichen Zweig der Missionsbenediktiner dar. Dass ein kontemplativ ausgerichteter Orden gezielt Mission betrieb, galt damals im 19. Jh. als eine Neuheit.
Mission wurde nun auch umfassender gedacht. Besaßen die Boten des Evangeliums in früheren Jahrhinderten das Ziel einer Christianisierung, trat nun der Gedanke hinzu, allen Menschen in den anderen Erdteilen ein Leben ohne Hunger und Unterdrückung zu ermöglichen. Der Aufbau von Bildungs- und Ausbildungsprojekten bekam einen größeren Stellenwert. Bildung diente als Hilfe zur Selbsthilfe. Zusätzlich wurde der Austausch von Kulturen ein wichtiger Bestandteil der Mission, um den verschiedenartigen Reichtum der Völker und Menschen zu erkennen. Auch die anderen haben viel zu geben, was uns fehlt. Mission ist keine Einbahnstraße.
Wahrzunehmen ist dies längst in der Seelsorge bei uns. Schon seit Jahren verzeichnen wir einen Mangel an seelsorglichen Arbeitskräften. Aus anderen Ländern stoßen Seelsorger und Seelsorgerinnen zu uns. Sie kommen nicht allein aus dem europäischen Polen, sondern auch aus Indien oder Afrika. Was mag in ihnen so vor sich gehen, wenn sie bei uns in eine ganz andere Kultur eintauchen und in unserer gemeindlichen Seelsorge tätig sind? Da gibt es bestimmt unterschiedliche Wahrnehmungen. Erfahrungsgemäß finden jene Seelsorger in unserem Umfeld mehr Akzeptanz, die nicht mit den Prinzipien eines Rigorismus auftreten oder eine kirchliche Dogmatik vor sich hertragen, sondern die eine Nähe zu den Menschen suchen und viel von der liebenden Weite Gottes vermitteln. So wie Papst Franziskus, der als Lateinamerikaner ebenfalls aus einer anderen Kultur stammt. Weil ihn innerlich die Liebe zu den Menschen drängt, erfährt der Heilige Vater eine große Wertschätzung. Er setzt alles daran, dass Menschen unverzichtbare Werte wieder neu entdecken, Werte die auch im Christentum zu verschütten drohen.
An diesem Sonntag lenken wir den Blick auch nach Frankfurt. In der Frankfurter Paulskirche wird der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an die Journalistin Carolin Emcke vergeben. In vielen Berichten beschreibt sie, wie Gewalt und Hass die Menschen und Gesellschaften verändern. „Gegen den Hass“, so lautet ihr aktuellstes Buch. Es ist eigentlich schlimm, wenn ein Buch mit einem solchen Titel erscheinen muss. Denn wir alle sind erschrocken, wie ganz bestimmte Raster im Denken der Menschen zu einer Eskalation der Rohheit führen. Dabei werden andere, nicht zuletzt Fremde, Ausländer und Flüchtlinge, verächtlich macht, gedemütigt und bedroht.
Papst Franziskus sagt: „Eine missionarische Kirche ist immer Zeugin der Barmherzigkeit – Zeugin der Barmherzigkeit Jesu. Auch heute weiß jeder Missionar, der aus dem Geist des Christentums lebt, dass das Evangelium Jesu jeden Entwicklungen von Hass entgegenwirken will. Der Auftrag Jesu: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten haben“ (Matthäus 28,19f.), dieser Auftrag ist noch nicht zu Ende. Jeder darf für sich überlegen, wie er selber zum Boten einer missionarischen Kirche wird.
Einer von den eingangs erwähnten Missionaren sprach einmal von seinen Visionen. Er brachte jene Ideale des Glaubens ins Gespräch, mit denen sich viele sofort identifizieren konnten. Seine Vision lautete: „Wenn alle Menschen auf der Erde sich an der Botschaft Jesu orientieren würden, wir hätten zwar noch nicht das Paradies auf Erden, aber die Menschen würden weitaus mehr in Frieden und Versöhnt miteinander leben.“
Den hohen Stellenwert göttlichen Erbarmens hatte er längst in den Worten Jesu entdeckt. Er verstand, wie reich wir durch unseren christlichen Glauben beschenkt sind. Daher wird es auch weiterhin Frauen und Männer geben, die diese Botschaft göttlichen Erbarmens leben und weitertragen.
Pfarrer Wolfgang Guttmann