Liebe Schwestern und Brüder,
18. August 1948: für die Ordensschwester, die später als Mutter Teresa weltweit bekannt wird, beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Sie legt das Ordenskleid der Loreto-Schwestern ab und kleidet sich in einen weißen Sari mit blauer Borte. Es ist die Kleidung der niedrigsten bengalischen Kaste. Für Agnes Gonxa Bejaxhiu, wie die kleine zierliche Ordensschwester mit bürgerlichem Namen heißt, ist dieses Datum der Anfang einer neuen Berufungsgeschichte.
Die Geschichte ihrer geistlichen Berufung begann schon zwanzig Jahre vorher. Die junge Agnes tritt in das Kloster der Loreto-Schwestern ein, einem Zweig der Schulschwestern von Maria Ward. Sie ist sich schon früh sicher, dass sie einmal Nonne werden möchte, am liebsten aber ganz weit weg. Sie erhält den Rat, sich über die irischen Loreto-Schwestern in Dublin nach Indien weiterzuleiten. In Darjeeling, im vorderen Himalaya gelegen und ein früherer Erholungsort für Familien britischer Kolonialbeamte und Offiziere, beginnt sie ihr Noviziat.
Sich im Leben zu behaupten, hat Agnes Gonxa Bejaxhiu schon von Beginn ihres Lebens an, geb. am 26.08.1910, kennengelernt. Wie bei vielen anderen albanischen Familien bestand das Leben der Familie Bejaxhiu aus vielen Entbehrungen. Als kleiner Händler hatte es der Vater zum bescheidenen Lebensstandard gebracht. Die Mutter schenkte drei Kindern das Leben. Agnes konnte immerhin das staatliche Gymnasium besuchen.
Über das Noviziat in Darjeeling kommt Agnes schließlich nach Kalkutta. Inzwischen hat sie eine Lehrausbildung gemacht Als Lehrerin für Geographie unterrichtet sie am Institut St. Mary die Kinder vermögender Eltern. Teresa ist als junge Nonne allseits schnell beliebt. Diese Loreto-Schule ist eine gepflegte Oase mit hübsch uniformierten Kindern, umgeben allerdings von Slums und Müllhalden.
Ursprünglich war Kalkutta eine wohlhabende Stadt. Als Hauptstadt Britisch-Indiens zog sie reiche Familien an. Glänzende Paläste waren beeindruckende Zeichen britischer Herrschaft. Die Verlegung des Regierungssitzes 1911 nach Delhi trifft Kalkutta sehr, die Zersetzung beginnt.
Agnes beunruhigt die zunehmende Verwahrlosung dieser Stadt. In den zwanzig Jahren ihrer Tätigkeit ist sie inzwischen Leiterin des Colleges geworden. Die gesellschaftlichen Veränderungen machen sich bei ihr bemerkbar. Ist die Tochter einer bescheidenen albanischen Familie deswegen Nonne geworden, um höhere Töchter an einem vornehmen indischen College zu unterrichten – umgeben von einem Meer des Elends?
An einem Septembertag 1946, während der Lektüre „Ruf der Wüste“, geschrieben von Charles de Foucauld (1858-1916), tun sich bei Teresa Veränderungen auf. Der ehemalige französische Offizier schildert in seinem Buch seinen persönlichen geistlichen Weg, wie ihn Gott heraus aus der Zivilisation führt und als künftigen Priester und Mönch in die Wüste ruft. Tiefe Sympathie verbindet Teresa mit dem Leben dieses, wir würden heute sagen, Aussteigers. Er wagte ein Leben totaler Veränderung hin zu Armut und Hingabe. Warum nicht auch sie, Agnes Gonxa Bejaxhiu?
Wenn es eine Veränderung geben kann, so ihr Entschluss, dann kommt nur ein „Aussteigen“ aus dem Konvent der Loreto-Schwestern in Frage. So legt sie den Habit der Loreto-Schwestern ab und bekleidet sich neu mit dem Kleid der niedrigsten Kaste in Bengalen. Ihr neuer Lebensabschnitt beginnt.
Noch im selben Jahr lässt sich Mutter Teresa, wie sie fortan genannt wird, in der Krankenpflege ausbilden, eröffnet ihre erste Slum-Schule und lässt auf einem weiteren Gelände das Mutterhaus der „Missionarinnen der Nächstenliebe“ entstehen. Im Geist der Nächstenliebe stoßen weitere Frauen hinzu, der Orden verzeichnet schnell Zuwachs. Zu den üblichen drei klösterlichen Regeln kommt eine vierte hinzu: „Nie den Reichen, sondern immer nur den Armen dienen.“ Der Orden wird nach kurzer Zeit bestätigt und weitet sich schnell über ganz Indien und darüber hinaus aus.
Mutter Teresa sieht ihr Aufgabenfeld weiter in Kalkutta. Die ursprüngliche Stadt vornehmer wohlhabender Familien ist eine Stadt der Sterbenden geworden. Sie liegen auf Gehsteigen. Passanten schreiten teilnahmslos über sie hinweg. Mutter Teresa geht eines Tages zur Stadtverwaltung mit der Bitte, ihr einen geeigneten Platz zu geben, damit Menschen in Würde sterben können. Sie erhält ein verwahrlostes Haus. Leute bewerfen das Haus mit Steinen, sie erhält Morddrohungen, als bekannt wurde, dass sie sogar einen Hindupriester, der von seinen Kollegen verstoßen war, als unheilbar Kranken aufnahm. Zudem verbreitete sich das Gerücht, der Hindupriester hätte sich auf Druck dem Christentum zuwenden müssen. Natürlich erwies sich alles als Falschmeldung.
Als „Heilige der Gosse“ (Zeitschrift Life) wurde ihr schon zu ihren Lebzeiten als Beiname gegeben. In jedem Armen, Kranken und Elenden den Menschensohn Jesus Christus entdecken und annehmen, war das Motiv der Arbeit von Mutter Teresa. Sie setzte das um, was Jesus in seiner Weltgerichtsrede sagt: „Was ihr für einen meiner geringsten Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).
Auf einer Tafel im Empfangszimmer des Mutterhauses der „Missionarinnen der Nächstenliebe“ stehen folgende Gebete:
„Mach uns würdig, HERR, unseren Mitmenschen in der ganzen Welt, die in Hunger und Armut leben und sterben, zu dienen. Gib ihnen durch unsere Hand heute ihr tägliches Brot und durch unser Verstehen Liebe, Friede und Freude.“
„Lass jede Schwester in der Person des Armen JESUS CHRISTUS sehen; je abstoßender Arbeit oder Person sind, desto größer müssen auch ihr Glaube, ihre Liebe und ihre freudige Hingabe sein, wenn sie unserem HERRN in dieser jammervollen Verkleidung dient.“
Schon im Zuge ihres Seligsprechungsverfahrens wurden bei Mutter Teresa weite Phasen von Glaubenskrisen bekannt. Bei ihr trat das auf, was auch andere große Heilige als „dunkle Nacht der Seele“ bezeichneten. Mutter Teresa starb am 5. September 1997. Im Rahmen eines indischen Staatsbegräbnisses wurde ihr Leben gewürdigt und auf ihren Wunsch hin in dem von ihr gegründeten Kloster der „Missionarinnen der Nächstenliebe“ beigesetzt. Ihre Heiligsprechung ist nun von Papst Franziskus für So., 4. Sept. 2016, festgelegt.
Nachstehend ich gern für Sie einige Zitate von Mutter Teresa wieder:
o Anfangs glaubte ich, bekehren zu müssen. Inzwischen habe ich gelernt, dass es meine Aufgabe ist zu lieben. Und die Liebe bekehrt, wen sie will.
o Christus wird uns nicht fragen, wie viel wir geleistet haben, sondern mit wie viel Liebe wir unsere Taten vollbracht haben.
o Das Gebet nützt der ganzen Welt, denn der Frieden beginnt zu Hause und in unseren eigenen Herzen. Wie können wir Frieden in die Welt bringen, wenn wir keinen Frieden in uns haben?
o Der Glaube muss, um echt zu sein, gebende Liebe sein. Glaube und Liebe gehen zusammen.
o Die äußerste Einsamkeit, in der ich manche Menschen in den reichen Ländern vorgefunden habe, ist schlimmer als Lepra.
o Die Liebe macht, dass man mutig sein kann.
o Eine Familie, die zusammen betet, bleibt zusammen.
o Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.
o Es geht nicht um das, was wir tun oder wie viel wir tun, sondern darum, wie viel Liebe wir in das Tun legen, in die Arbeit, die er uns anvertraut hat.
o Es gibt viele Leute, die die großen Dinge tun können. Aber es gibt sehr wenige Leute, die die kleinen Dinge tun wollen.
o Es ist nicht wesentlich, was wir sagen, sondern was Gott uns sagt und durch uns sagen will.
o Für Kinder und in Familien ist Beten dringend nötig. Liebe beginnt zu Hause und daher ist es wichtig, dass man zusammen betet. Wenn ihr zusammen betet, werdet ihr zusammenbleiben und euch so lieben, wie Gott jeden von euch liebt.
o Gott achtet nicht darauf, wie viel wir tun, sondern mit wie viel Liebe wir etwas tun.
o Gott ist der Freund der Stille. Je mehr wir im stillen Gebet bleiben, desto mehr können wir in unserem aktiven Leben geben.
o Gottes Liebe kennt keine Grenzen. Sie ist ohne Maß, und ihre Tiefe kann niemand ergründen.
o Ich bin nur ein kleines Kabel – Gott ist der Strom.
o Ich glaube, je weniger wir besitzen, umso mehr haben wir zu geben. Und je mehr wir besitzen, umso weniger können wir noch geben.
o Ich konnte als Wurzel aller Schwierigkeiten die Vernachlässigung des Gebets ausmachen. Der erste Schritt zur Erneuerung der Gesellschaft muss mit dem Gebet beginnen.
o Ich kümmere mich nie um Menschenscharen, sondern nur um eine Person. Würde ich die Scharen ansehen, würde ich nie beginnen.
o Ich wäre eher bereit, mein Leben herzugeben als meinen Glauben.
o Ich weiß, dass Gott nie mehr von mir verlangen wird, als ich ertragen kann. Ich würde mir nur wünschen, er würde mir nicht gar so viel zutrauen.
o Immer wenn du Liebe an andere weitergibst, wirst du den Frieden spüren, der zu dir kommt und zu ihnen.
o Kinder sind Gottes schönstes Geschenk. Jedes Kind hat das Recht, auf die Welt zu kommen, ob es erwünscht ist oder nicht.
o Ohne Jesus wäre unser Leben bedeutungsleer und unverständlich.
o Seid lebendiger Ausdruck der Güte Gottes: Güte in eurem Gesicht, Zärtlichkeit in euren Augen, Liebe in eurem Lächeln, Wohlwollen in eurem Gruß.
o Wenn du nach Gott suchst und nicht weißt, wo du anfangen sollst, lerne zu beten und mache dir die Mühe, jeden Tag zu beten.
Pfarrer Wolfgang Guttmann