Liebe Schwestern und Brüder,
„Vor und nach dem Essen Händewaschen nicht vergessen“ – wird noch heute Kindern beigebracht. Die Einhaltung von Hygiene gehört zu den wichtigen Lernprozessen des Lebens. Im Evangelium dieses Sonntags (Mk 7,1-8.14-15.21-23) geht es auch ums Händewaschen. Allerdings ist für gläubige Menschen nicht so sehr die Frage der äußerlichen Hygiene maßgeblich, es geht vielmehr um kultische Reinigung. Sie steht für eine Sehnsucht nach paradiesischer Unschuld. Alles, was irgendwie schmutzig ist, soll fern gehalten bleiben.
Diese Sehnsucht nach Reinheit kann allerdings auch dazu führen, dass Menschen sich mit gefahrvollen Lebensbereichen nicht ernsthaft auseinandersetzen. Wer beispielsweise in seiner Kinder- und Jugendzeit rundum vor Bakterien geschützt wurde, muss sich nicht wundern, im weiteren Leben hinsichtlich drohender Krankheiten anfälliger denn je zu sein.
Beim Umgang mit den gegenwärtig aus ihren Heimatländern Flüchtenden ist es nicht anders: diejenigen, die in diesen Tagen Brandsätze gegen Flüchtlingsheime legen oder Häme aussähen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen machen sich kein Bild davon, welcher körperlichen und seelischen Gewalt der Mensch im Bürgerkrieg ausgeliefert sein kann. Was muss ihre Herzen so verhärtet haben, dass tiefsitzende Angst und akute Bedrohung anderer Menschen sie nicht berührt? Woher rührt eine solche Asepsis des Herzens?
Zum Leben gehört eine Schulung des Herzens dazu. In seiner Rede über die Reinheit kennt Jesus den Menschen viel zu gut: „Von innen, aus dem Herzen der Menschen kommen die bösen Gedanken“ (Mk 7,21). Der Sohn Gottes weiß vom Wechselspiel des Menschen zwischen außen und innen, zwischen Fassade und Wirklichkeit. Daher wird Jesus im weiteren Verlauf des Dialoges mit den Pharisäern und Schriftgelehrten sinngemäß hervorheben: Menschenwürdige Einstellungen entstehen im Herzen.
Die Worte Jesu sind eine wirkliche Mahnrede. Wie schnell möchte der Selbstgerechte, wie beispielsweise Pilatus, seine „Hände in Unschuld waschen“ (Mt 27,24). Mit Pilatus möchten sich noch heute viele reinhalten. Sie wehren sich und wollen mit den Schicksalen anderer nichts zu tun haben. Fürchten sie sich, vom Leid anderer angesteckt zu werden?
„Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden“ sagt uns die Heilige Schrift (Röm 12,15). Dieser Aufruf will uns in allen Belangen frei machen für die Lebensgeschichte anderer. Rein im Geiste Jesu werden wir tatsächlich, wenn wir unsere Herzen öffnen. Es täte allen gut – den beklagenswerten Opfern ebenso wie uns und unserer eigenen seelischen Hygiene.
Pfarrer Wolfgang Guttmann