Prophetenbeleidigung

Liebe Schwestern und Brüder,

ist Wohnen eine Frage des Lifestyles? Gehobener Anspruch? Gemütlichkeit? So wie wir die Einrichtung einer Wohnung auf unseren eigenen Lebensstil beziehen, so erfolgt diese Einschätzung auch auf andere. Wenn wir einen Menschen mögen, ihn schätzen, dann interessieren wir uns schon dafür, wo und wie er wohnt.

Das machen wir auch bei unserem Papst. Nur weil er Papst ist, wird er seinen Lebensstil nicht ändern wollen. Er zieht nicht in die Papstgemächer des Vatikans, der Gästetrakt reicht ihm aus. Wenn er könnte, zöge er in Rom vielleicht noch in eine Etagenwohnung: Lifestyle Papst Franziskus.

In seinem Herzen wird er an die unzähligen Familien in seiner lateinamerikanischen Heimat denken, die sich allemal ein schöneres Wohnen vorstellen könnten. Menschen, die heraus wollen aus ihren Bretterbuden, die keine Plastikplane mehr als Dach über dem Kopf haben wollen.

Auch bei uns in Europa, auch in unserem Land gibt es Problemviertel. Eine junge Frau, die sich bewerben wollte um eine Ausbildungsstelle, stellte fest: „Wenn ich angebe, in welchem Stadtteil ich wohne, dann ist das schon ein Negativpunkt.“ Ob die Sozialstruktur einer Wohngegend zugleich schließen lässt auf die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen? In vielen Köpfen ist es so.

Wenn Jesus sich irgendwo bewerben wollte, welche Adresse gäbe er an? Wir hören im Evangelium die an ihn gerichtete Frage: „Wo wohnst du?“ (Joh 1,38) Oft denke ich: Ob die Jünger, die Jesus längst kannten, seinen Wohnort wirklich nicht wussten? Sie sind doch viel miteinander umhergezogen. Und dann diese Frage?

Die Lebensorte Jesu kann man ausmachen. In der Armut eines Stalles wird er geboren, wächst in Nazareth in einer einfachen Handwerkerfamilie auf. Als Erwachsener hält er sich viel in Kafarnaum in Galiläa auf. Jesus wird in verschiedenen Häusern zu Gast sein wie im Hause des Zöllners Zachäus, oder bei den drei Geschwistern Martha, Maria und Lazarus. Aber ist das wirklich ein echtes Zuhause? Wir erleben Jesus nie, dass er sich irgendwo niedergelassen hätte und zum Empfang bittet.

Jesus wird einmal sagen: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Mt 8,20). Nun kommen seine Jünger und fragen ihn: Wo wohnst du? Und was wird Jesus antworten? „Kommt und seht“ (Joh 1,39).

Es geht offenbar nicht um die Bekanntgabe einer Adresse, das Vorzeigen einer wohleingerichteten Wohnung. Es geht vielmehr um ein Mitgehen mit einem Weg: „Kommt und seht“.

Es ist eine Einladung Jesu zu einem Blick in die eigenen Tiefenschichten. Wo will denn Gott wohnen, könnten wir uns fragen? In einem Lied heißt es: „Du, Herr, bist in allem ganz tief verborgen, was lebt und sich entfalten kann. Doch in den Menschen willst du wohnen, mit ganzer Kraft uns zugetan.

Ein Christ lässt Christus in sich wohnen. Das hat was mit Mystik zu tun. „Kommt und seht!“ In den unruhigen Zeiten, die wir gegenwärtig erleben, wo viele sich fragen, wo unser Christentum abbleibt, wo wir angefragt werden, wie wir mit den Muslimen und den Vertretern anderen Religionen umgehen, tut es gut, unseren Blick auch wieder nach innen zu lenken.

Ist Wohnen eine Frage des Lifestyles? Wohnen ist mehr als Lifestyle. Wohnen ist eine Angelegenheit des Herzens. Papst Franziskus weiß das, viele Arme dieser Welt wissen das – sonst wäre ihr Leben trostlos, und wir wissen das auch.

Gelebter christlicher Glaube in kleinen Lebenswelten – das hat was mit Wohnen zu tun. Maßgeblich ist, wie wir in unseren kleinen Lebenswelten, an unseren Wohnzimmer-, an unseren Küchentischen, in unseren Wohnungen Jesus in unser Leben hineinnehmen und ihn bei uns und ihn in uns wohnen lassen.

Wenn so der Geist Christi lebendig ist, aufrichtend, wohltuend, heilsam, nicht allein bei uns, sondern auch für andere, dann sind wir bestens eingerichtet. Das ist unser Lifestyle – Lifestyle christlichen Herzens.

Pfarrer Wolfgang Guttmann