Liebe Schwestern und Brüder,
„Wir kommen daher aus dem Morgenland …“ singen in diesen Tagen bundesweit die Sternsinger. Auch in unserer Quickborner Gemeinde gehen Mädchen und Jungen zu Häusern und Wohnungen und tragen eine frohe Botschaft zu allen, die ihre Türen und Herzen öffnen. Die jungen Leute tragen dabei Gaben für die armen Kinder in der Welt zusammen und erbitten den Segen für die Bewohner des Hauses.
Über einen Besuch freuen sich auch jene, die tatsächlich mit ihren Familien aus dem Morgenland gekommen sind. Seit geraumer Zeit konnten sie sich hier im Abendland niederlassen: Menschen bzw. Familien aus Syrien, aus dem Irak, aus dem Iran, überhaupt aus Ländern des Vorderen Orients. Darunter sind nicht nur Christen.
Sie alle könnten erst recht singen: „Wir kommen daher aus dem Morgenland.“ Dabei könnten sie die Strophe entsprechend weitersingen: „Wir kommen, geführt durch Gottes Hand.“ Die gepeinigten Frauen und Männer, Mädchen und Jungen sind erleichtert, dass sie überhaupt noch leben – durch Gottes Hand! Die aus ihren Häusern und Wohnungen Vertrieben suchen in ihrem neuen Umfeld nichts sehnsuchtsvoller als Ruhe und Frieden. Sie denken schmerzvoll an die überstandenen Ängste der vergangenen Monate und Jahre. Viele Länder des Morgenlands sind seit Jahren überzogen mit barbarischem Bürgerkrieg, mit bitterer Armut, erbarmungsloser Vertreibung und gnadenloser Verfolgung. Der in Paris verübte menschenverachtende Terroranschlag dieser Tage lässt in ihnen zudem neue Ängste aufkommen.
Wenn unsere Sternsingerkinder wie die Weisen aus dem Morgenland in verschiedenen Hautfarben ihre frohe Botschaft verkünden, dann entdecke ich darin immer auch eine persönliche Anfrage, wie wir mit den Menschen aus dem Morgenland und Nordafrika umgehen. Es entsteht Nachdenklichkeit, wie wir bereit sind, diese bei uns wohnen zu lassen. Ob wir uns vorstellen können, unser Leben bereichern zu lassen von deren Lebensweisheit, von deren Lebensmut und deren Lebenswillen?
Im Ereignis von Bethlehem mit den Weisen aus dem Morgenland (Mt 2,1-12) leuchtet das Geheimnis von Weltkirche auf, einer völkerumspannenden Weltgemeinschaft. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sagte in diesen Tagen zu recht: „Mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes feiern wir Christen nicht den Retter des Abendlandes, sondern wir feiern den Retter der ganzen Welt.“ Im Geschehen der Krippe von Bethlehem, so seine Sicht, darf unser Blick des Friedens geweitet werden in alle Himmelsrichtungen. Eine Ahnung darf aufkommen, wie umfassend und weltumspannend das himmlische Geschenk göttlicher Erlösung ist. Dieser Weite will die Sternsingeraktion schon über viele Jahrzehnte hinweg gerecht werden.
In besonderer Weise darf daher allen Flüchtlingen und Asylsuchenden die letzte Strophe der Sternsinger gewidmet sein. Mit Segenswünschen wenden sie sich liebend an Gott, indem es heißt: „Wir bitten dich: Segne nun dieses Haus und alle, die gehen da ein und aus! Verleihe ihnen zu dieser Zeit Frohsinn, Frieden und Einigkeit.“
Pfarrer Wolfgang Guttmann