Wir alle haben Anfang der Woche Weihnachten gefeiert. Die Familie ist zusammengekommen und den Eltern, Geschwistern und Großeltern wurde zumindest ein Besuch abgestattet. Mit denen, die nicht dabei sein konnten, hat es lange Telefonate gegeben. Weihnachten ist heute für viele das Fest der Familie.
Wozu brauchen wir also noch das Fest dieses Sonntags, das Fest der heiligen Familie?
Wir schauen unter den Tannenbaum und sehen eine sehr idyllische Atmosphäre mit glücklichen Figuren, Maria, Josef, das Jesuskind, lächelnden Hirten und einem warm lodernden Feuer. Diese Familie besteht aus Heiligen, keine Frage, deshalb muss sie heilig sein.
Unsere Weihnachtsromantik stimmt sicher nicht mit der damaligen Wirklichkeit überein. Und dennoch haben die drei die Situation als Familie gemeistert und es hat sie vermutlich eng zusammengeschweißt. Das heutige Evangelium belegt jedoch, dass bei dieser Familie bei Weitem nicht alles glatt lief. Was müssen die Eltern für Ängste ausgestanden haben, als Jesus 3 Tage nicht aufzufinden war. Und als er wieder auftauchte, gibt es keine Worte der Entschuldigung oder des Einsehens, sondern Jesus zeigt kein Verständnis für die Sorgen seiner Eltern.
Welche Eltern kennen ähnliche Situationen nicht auch? Ich glaube, dass all diese Berichte und Geschichten deutlich machen wollen, dass Jesus tatsächlich ganz Mensch geworden ist, und zwar in völlig normaler Umgebung oder sogar eher in einem schwierigen Umfeld. Und dennoch hat er das erfahren, was Familie ausmacht. Nur in diesem Umfeld und mit diesen Erfahrungen wurde Jesus zu dem, der er geworden ist. Außer der heutigen Geschichte hören wir in den Evangelien nicht sehr viel von den ersten 30 Jahren in Jesu Leben. Diese Zeit macht aber 90% der Zeit zwischen seiner Geburt und seinem Tod am Kreuz aus. Wir müssen keine Details kennen, um zu wissen, diese Zeit war prägend und es war die Zeit, die er weitestgehend in der Familie verbracht hat, in der Jesus, unterstützt durch Maria und Josef, die Heilige Schrift studiert und den Beruf des Zimmermanns erlernt hat.
Familie, das ist in unserer Gesellschaft die kleinste soziologische Einheit, in der Kinder das Laufen, das Sprechen und die Kultur erlernen. Mindestens so wichtig ist für ein Kind das Erleben von menschlichen Beziehungen, von Miteinander, das Erfahren von Mitgefühl und Empathie und das Vorhandensein der 3 göttlichen Tugenden, Glaube, Hoffnung und Liebe. Das alles bildet das Urvertrauen in sich und vor allem in andere Menschen. Es bewirkt eine positive Lebenseinstellung und prägt den Charakter des Kindes und späteren Erwachsenen maßgeblich. Auch für die Erwachsenen ist die Familie immer wieder ein Ort der Reflexion, der Verantwortung, der Liebe und des beispielgebenden Vorlebens der Werte.
Vielleicht kennen Sie das Lied von Reinhard Mey “Zeugnistag”. Reinhard Mey beschreibt in dem Lied, wie er als Kind als Folge seiner Faulheit ein sehr schlechtes Zeugnis erhält. Es ist so schlecht, dass er sich schämt und sich vor den Folgen fürchtet. Also zeigt er das Zeugnis zu Hause nicht vor und unterschreibt es kurzerhand selbst. Natürlich wird er ertappt und während sich der Lehrer schon über die Bestrafung des missratenen Jungen freut, schauen die Eltern ernst und erklären, dass die Unterschriften natürlich von Ihnen seien. Reinhard Mey stellt fest, dass die Reaktion seiner Eltern vielleicht pädagogisch nicht richtig war, aber es hat das Vertrauen in die Eltern und den Glauben an rückhaltlose Unterstützung für immer gefestigt. Und das Verhalten der Eltern hat gezeigt, dass Familie da ist, selbst wenn eine Situation ausweglos erscheint; man steht zusammen, niemand wird allein zurückgelassen.
Heilige Familie heißt also keineswegs, dass alle Abläufe problemlos sind, dass es keine Herausforderungen und Krisen gibt. Es heißt auch nicht, dass sich Lebenswege im Sinne der Eltern positiv gestalten. Ob Maria die Entwicklung Jesu, insbesondere die letzten 3 Jahre, ohne Sorge wahrgenommen hat, darf bezweifelt werden.
Die Grundlagen für die Tugenden, die uns als Erwachsene ausmachen, werden in der Kindheit in der Familie gelegt. Ohne liebevolle Hinführung zum Glauben wird man als Erwachsener keinen Zugang zum Glauben und zu Gott finden. Ohne bedingungslose Liebe in der Kindheit wird es schwierig mit der Barmherzigkeit. Und ohne das Erleben, dass man problematische Situationen bestehen, nach Schicksalsschlägen nach vorne schauen kann, wird sich Hoffnung und Zuversicht nicht entwickeln.
Wir feiern heute also nicht das Fest der “heilen Familie”, sondern das Fest der “heiligen Familie”. Und die Familien in unserer Gesellschaft bedürfen deshalb eines besonderen Schutzes. Die Familie muss nicht perfekt oder modellhaft sein, das war die Familie um Maria, Josef und Jesus wohl auch nicht. Aber sie ist heilig als Quelle des Positiven im Leben und gesegnet als Institution. Und wenn alles schief zu laufen scheint, ist die Familie der sichere Hafen, der Rückzugsort, die letzte Zuflucht.
Der Bezug zu unserem Glauben, die Parallelität zur gewollten Beziehung zu Gott ist unübersehbar. Glaube und Liebe, Hoffnung und Vergebung, das sind die Werte, die uns Christen ausmachen, und die in den Familien erfahren und in der Gesellschaft gelebt werden sollen, so wie damals in der heiligen Familie. Das heutige Evangelium schließt mit dem Fazit, das auch für die Kinder in den Familien von heute gelten sollte: “Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.”
(Jürgen Kuper)
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