Pfingsten

„Aκούομεν λαλούντων αὐτῶν ταῖς ἡμετέραις γλώσσαις τὰ μεγαλεῖα τοῦ θεοῦ“

„Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“.

Der Pfingstbericht ist, wie das ganze Neue Testament auf Griechisch geschrieben. Warum ist das so, wo doch in Palästina damals Aramäisch oder Hebräisch gesprochen wurde? Das Griechische war gewissermaßen schon ein Zugeständnis an den pfingstlichen Anspruch, die Sprachgrenzen zwischen den Völkern aufzuheben. Auf engstem Raum lebten schon damals im Nahen Osten viele verschiedene Volks- und Sprachgruppen. Eine Verständigung zwischen den Völkern war nur durch eine gemeinsame Sprache möglich. Und das war eben Griechisch. Seit Alexander dem Großen waren die Griechen für mehrere Hundert Jahre Besatzungsmacht gewesen und hatten ihre Sprache als Amtssprache etabliert. Wer also auf Verständigung angewiesen war, weil er reiste oder Handel trieb brauchte zwischen Athen und Alexandria, Malta und Damaskus Griechisch und wahrscheinlich konnten auch die einfachen Leute ein wenig davon. Wenn das Neue Testament auf Griechisch geschrieben ist, ist dies bereits ein Statement: Gottes Geist geht über die Grenzen der Völker hinaus. Der Glaube an Christus verbindet die Juden und die Heiden in der ganzen bewohnten Welt.

Die Sprache trennt und die Sprache vereint. Das ist bis heute so: Wir setzen die Grenzen der Zusammengehörigkeit eines Volkes, manchmal auch nur einer Stadt oder eines Dorfes anhand von Sprachen und Dialekten. Zugleich versuchen wir, die Trennung durch eine gemeinsame Sprache aufzuheben. Pfingsten hebt die Trennung der Sprachen und damit die Trennung der Völker auf. Wir gehören zusammen im einen Bekenntnis und in dem einen Geist, der uns geschenkt ist.

Jetzt geht es im Pfingstbericht aber nicht um eine gemeinsame Sprache. Die Verständigung geht tiefer. Obwohl die Apostel ihre Sprache sprechen, werden sie von allen verstanden. Wie ist so etwas möglich? Hier zeigt sich die Wirkung des Geistes. Dort, wo der Wille zur Verständigung da ist, wo Menschen eines Geistes sind, dort kann sie auch gelingen. Das bedeutet auch, dass nicht nur die Apostel, sondern auch die anderen Menschen in Jerusalem bereits in den Wirkbereich des Geistes eingetreten sind. Der Wille zur Verständigung ist da, wo die Liebe zueinander ist. Es ist die Liebe in allen ihren Facetten. Sie beginnt in der Bereitschaft, aufeinander zu hören, im Dialog, sie geht weiter in der Freundschaft, in der Treue, in der gegenseitigen Unterstützung und schließlich in der Liebe zwischen den Generationen und der Liebe der Paare zueinander. Die Verständigung durch die Sprache öffnet sich zu einer Verständigung der Geister und der Herzen. Deshalb offenbart sich der Heilige Geist als Ausfluss der göttlichen Liebe. In ihm, also in dieser Liebe entsteht die Gemeinschaft Gottes mit den Menschen und die Verständigung der Menschen eines Geistes untereinander. Der Geist bricht die Grenzen auf. Der Geisthymnus des heutigen Tages sagt es so:

„Komm, o du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring bis auf der Seele Grund. Ohne dein lebendig Weh’n kann auf Erden nichts besteh‘n, kann nichts heil sein, noch gesund.

Diesen Geist, der belebt, aufbricht, wärmt, tröstet, erleuchtet, stärkt, Weisheit schenkt, diesen Geist feiern wir an Pfingsten und mit ihm Gottes Wirken in der Welt, aus der unsere Gemeinschaft entsteht.

(Pfr. Dr. Bergner)