Die Fastenzeit geht langsam zu Ende. Mit dem fünften Fastensonntag wechselt sie zugleich die Tonart. Ging es in den ersten Wochen um Umkehr, Fasten und Buße, tritt nun die Betrachtung des Leidens und Sterbens Jesu in den Mittelpunkt. Vielleicht ist es ein guter Zeitpunkt für einen Zwischenhalt und die Frage: Wie ist meine Fastenzeit bisher verlaufen?
Ich komme darauf, weil ich vor kurzem von unseren Erstkommunionkindern die Frage gestellt bekam, wozu man eigentlich fastet. Die Frage ist so einfach wie schwierig zu beantworten. Am Beginn stehen der Fastenzeit stehen die guten Vorsätze: Was möchte ich mit dieses Jahr vornehmen – worauf möchte ich besonders achten – worauf möchte ich verzichten? Die wichtigere Frage wäre eigentlich: Wozu sollte ich fasten? Das Fasten ist eine religiöse Übung. Gehen wir einmal davon aus, dass Gott nichts davon hat, wenn wir keine Schokolade essen, keine Zigaretten rauchen, oder für sieben Wochen unseren „facebook“-Account nicht bedienen. Schaut man in das Alte Testament, etwa in das Buch Jona, dann wird der Sinn des Fastens so interpretiert, dass Menschen dadurch ihre Bußhaltung zum Ausdruck bringen. Sie verzichten auf ihre Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse, gehen in Sack und Asche und verbringen den Tag mit Klagen und Beten, um Gott ihren guten Willen zur Besserung zu zeigen und um ihn dazu zu bewegen, ihnen die Sünden zu vergeben. Das Fasten ist also eine asketische Übung. Askese ist übrigens das Gegenteil von Wellness. Wer fastet, um dadurch schöner oder schlanker zu werden, dessen Fastenopfer bestünde vielleicht darin, gerade auf das Fasten zu verzichten.
Wozu also fasten? Vielleicht lässt sich das Fasten als ein Selbstversuch betrachten. Wie gehen wir mit den Gütern um, die uns zur Verfügung stehen? Und wo haben die Güter mehr Macht über uns als wir über sie? In einer solchen Sichtweise wird das Fasten zum Brechen mit schlechten Gewohnheiten. Ich schaffe wieder Ordnung in meinem Leben, indem ich wieder beginne, die Dinge des Lebens selbst in die Hand zu nehmen. Ich kann dem Einfluss von Suchtmitteln wie Alkohol, Nikotin, Computerspielen oder Zucker meine souveräne Haltung entgegensetzen, ihnen nicht zu folgen. Ich kann versuchen, die Zeitfresser meines Alltags, das ständige Googlen und Twittern, das Durchsuchen von Sonderangeboten, das ständige Telefonieren oder Fernsehen in die Schranken zu weisen. Dies hat in zweiter Linie dann auch eine religiöse Komponente. Indem ich mehr Souveränität über mein Leben gewinne, gewinne ich auch mehr Gestaltungskraft. Es geht darum, mein Leben auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist und was vielleicht sonst zu kurz kommt. Das ist in erster Linie die Pflege von Beziehungen, denen zu den anderen Menschen, besonders denen, die meine Hilfe brauchen. Und es dient der Gottesbeziehung, die meist als allererste im Wust des Alltags verschwindet. Deswegen ist das Fasten mit dem Beten und dem Almosengeben verbunden. Es geht in diesem Dreiklang um die Neuausrichtung bzw. Korrektur meines Lebensstils.
Wie ist also die Fastenzeit in dieser Hinsicht bisher verlaufen? Bin ich meinen Zielen nähergekommen oder wieder in den ersten Tagen gescheitert? Wenn letzteres der Fall ist: Keine Sorge, die Fastenzeit ist noch nicht vorbei. Es gibt keinen Grund zu resignieren, sondern die Möglichkeit einfach noch einmal mit der Fastenzeit zu beginnen. Das Wichtigste kommt ohnehin erst noch: Die Feier der Heiligen Woche. Es ist die Feier der Souveränität Gottes, die über die Abgründe der Welt, besonders die Sünde und den Tod siegt. Und es ist die Feier des Bundes, den Gott mit uns Menschen schließt. Von seiner Seite ist bereits getan, was wir in der Fastenzeit nachzuahmen versuchen.
(Pfarrer Georg Bergner)
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