Liebe Schwestern und Brüder,
während wir unserem gewohnten Tagesrhythmus nachgehen, wollen wir diejenigen nicht vergessen, die von den Geschehnissen dieser Tage aufgewühlt sind. Wir denken an die vielen Opfer der verheerenden Überschwemmungen in Indien, Nepal und Bangladesh. Und wir denken an die Opfer des Tropensturms Harvey in mehreren US-Bundesstaaten. Die Liste der Leidgeplagten ließe sich endlos fortsetzen. Bei allem Kampf gegen unheilvolle Mächte haben Menschen dennoch nie aufgehört, sich dem Schicksal willenlos hinzugeben. Es gibt immer Geister, die bei aller Not und bei allem Elend den Geist des Erbarmens leben und alles tun, um Notleidenden beizustehen. Es gibt Bereitwillige, die an die Barmherzigkeit glauben.
Was ist Barmherzigkeit? Barmherzigkeit ist eine Form der Liebe. Sie ist eine liebevolle Zuwendung, damit die Mühsal des Lebens besser bewältigt werden kann. Zugleich wird zu verstehen gegeben: es wird einmal alles wieder gut.
Dabei kennt Barmherzigkeit keine Tarife, keine Grenzen und fragt nicht danach, was man dafür zurückbekommt. Barmherzigkeit geht über Gerechtigkeit hinaus und verzichtet auf einen Rechtsanspruch.
“Angesichts des Erbarmens Gottes” (Röm 12,1), so schreibt der Apostel Paulus, “ermahne ich euch, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt.” Wenn Paulus hier von “Opfer” spricht, dann bedeutet es, sich selbst so einzubringen, dass es anderen Menschen dienlich ist und ihnen hilft. Weil wir als Christen vom Erbarmen Gottes überzeugt sind, die sich in Jesus Christus gezeigt hat, deswegen gibt es die große Zahl derer, die sich in den Dienst der Barmherzigkeit stellen. Keiner weiß, wann, wo und wie aufgrund einer konkreten Notsituation die eigene Menschlichkeit einmal gefordert wird.
Wenn es Werte gibt, denen wir unser Dasein verdanken, dann sind es Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Ohne diese Werte wäre die Welt längst zugrunde gegangen. Die Liebe ist daher stärker als alle höhere Gewalt.
“Wer mein Jünger sein will, nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir nach” (Mt 16,24), sagt Jesus. Diese Worte gelten auch heute – auch vor dem Hintergrund schrecklicher Katastrophen. Der Blick ist dabei auf uns selber gerichtet und damit auf unsere Bereitschaft, das göttliche Erbarmen in unserer Zeit zu leben.
(Pfarrer Wolfgang Guttmann)
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