Liebe Schwestern und Brüder,
in der heutigen Lesung aus dem Römerbrief (5,6-11) sagt Paulus einen Satz, der mich nicht losgelassen hat, seit ich begonnen habe, mich mit den Texten dieser Woche zu befassen. “Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.” … “als wir noch Sünder waren.” Sind wir nach dem Kreuzesopfer Jesu keine Sünder mehr? Und liebt Gott die Menschen, egal ob sie Sünder sind oder nicht?
Nach den Worten des heiligen Paulus liebt Gott die Menschen offenbar ohne Vorbehalte, die halbwegs guten, aber auch die weniger guten, alle, ob sie wollen oder nicht, selbst dann, wenn es ihnen gleichgültig ist oder wenn sie von Gott nichts wissen oder nichts wissen wollen. Ganz schön schwer vorstellbar!
Es gibt Menschen, die nichts oder nichts Gutes von Gott gehört haben oder solche, die schlimme Erlebnisse zu verdauen haben, deren Seele verletzt und gedemütigt worden ist oder die sich verbittert von Gott abgewandt haben. Ich kann einsehen, dass sie alle dennoch Gottes geliebte Geschöpfe bleiben. Aber: Was ist mit den Menschen, die andere brutal quälen, demütigen und umbringen? Was ist mit denen, die sich sogar auf Gottes Weisung berufen, wenn sie mit Gewalt und Terror gegen Unschuldige vorgehen, liebt Gott die auch? Was ist mit den Mächtigen, den Finanzstarken, den Skrupellosen, die um des eigenen Vorteils willen andere Menschen, sogar ganze Völker, ausnutzen oder übervorteilen? Liebt Gott auch die?
Und wo stehen wir selbst, wir braven, gottesfürchtigen Bürger, mit unseren nicht immer guten Absichten und Verhaltensweisen? Haben wir uns im Bewusstsein von Gottes Liebe so gut eingerichtet, dass wir jederzeit sagen können: “Meine Sünden werden mir schon vergeben, wenn ich sie nur bereue. Ich bin eben ein Mensch und damit ein Sünder.”? Machen wir uns das nicht ein bisschen leicht?
Unser Glaube sagt, Jesus ist für alle Menschen gestorben, er hat alle, alle, alle mit Gott versöhnt, weil Gottes Liebe unfassbar groß ist. Ich muss dazu bekennen: Die Größe dieser Liebe entzieht sich meiner Vorstellungskraft.
Müssen wir gar nichts zu der Versöhnung mit Gott nach all unseren gesammelten Fehlern beitragen? Es gibt schließlich 10 Gebote und die Gebote der Gottes- und der Nächstenliebe mit allen daraus folgenden Konsequenzen für unser Handeln.
Ich glaube, der Schlüssel dafür, Gottes Liebe zu empfangen und zu spüren, liegt letztlich darin, wie wir uns öffnen, wie bereit wir sind, Gott in uns Raum zu geben und unsere Gedanken und Verhaltensweisen von Gott beeinflussen zu lassen. Das schließt ein, dass wir uns an den biblischen Geboten ausrichten, so gut wir es vermögen. Das schließt auch ein, dass wir durch das Gebet im Dialog mit Gott bleiben. Das schließt ebenfalls mit ein, dass wir die Gemeinschaft mit anderen Glaubenden suchen.
Gottes Liebe zu allen Menschen wird mir so verständlicher: Sie steht allen zur Verfügung, aber sie will angenommen und erlebt werden. In einem in unserer Gemeinde gern gesungenen neueren Lied heißt es:
“Dieses kleine Stück Brot in unsren Händen reicht aus für alle Menschen.
Du verwandelst das Brot in Jesu Leib,
du verwandelst den Wein in Jesu Blut,
du verwandelst den Tod in Auferstehn,
verwandle du auch uns!”
“Verwandle du auch uns” ist für mich das Fazit aus den heutigen Überlegungen. Gott tritt in Vorleistung mit dem Angebot seiner Liebe, aber ohne unsere immer neue Bereitschaft, sie anzunehmen und uns immer neu Gott zuzuwenden, bleibt sie ohne Wirkung auf unser Leben.
(Sabine Heckmann)
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