Hymnus über die Menschwerdung

Liebe Schwestern und Brüder,

“Harfe des Heiligen Geistes” wurde bereits zu seinen Lebzeiten der hl. Ephräm (306-373) genannt. Der große syrische Kirchenlehrer schrieb nicht allein lesenswerte theologische Literatur, sondern viele geistlich erbauliche Hymnen. Sie besingen die Geheimnisse Gottes sowie die Welt der Heiligen.

Eines seiner Meisterwerke ist der Hymnus über die Menschwerdung. Am heutigen Festtag, Fest der Verkündigung des HERRN (25.03.), also neun Monate vor Weihnachten, sei dieser Hymnus an dieser Stelle eingebracht. In wunderbaren Bildern stellt der hl. Ephräm die unbegreifliche Umkehrung des Göttlichen im Schoß der Jungfrau Maria dar.

(Pfarrer Wolfgang Guttmann)

Hymnus über die Menschwerdung

Niemand weiß, wie er nennen soll deine Mutter, o Herr!
Nennt er sie Jungfrau, – ihr Kind steht dagegen;
Vermählte, – keiner hat sie erkannt.
Wenn nun schon deine Mutter unbegreiflich ist,
wer soll dann dich fassen?

Deine Mutter ist sie, sie allein,
und deine Schwester, zusammen mit allen.
Sie wurde dir Mutter, sie wurde dir Schwester.
Auch ist sie deine Braut
zusammen mit allen reinen Jungfrauen.
mit allem hast du sie geschmückt,
der du die Schönheit deiner Mutter bist.

Ein Wunder ist deine Mutter.
Eintrat in sie der Herr, und er wurde zum Knecht.
Eintrat der Wortbegabte und er wurde stumm in ihr.
Eintrat der Donner, und er brachte seine Stimme zum Schweigen.
Der Hirte aller trat ein, und er wurde in ihr zum Lamm.

Die Ordnungen verkehrte der Schoß deiner Mutter.
Der Schöpfer des Weltalls trat als Reicher ein
und kam hervor als Bettler.
Der Hohe trat ein und kam hervor als Niedriger.
Himmlischer Glanz trat ein und kam hervor,
gehüllt in verächtliche Farbe.

Wir kamen, um dich zu sehen als Gott;
siehe du bist ein Mensch!
Wir kamen, um dich zu sehen als einen Menschen;
es erstrahlte das Licht deiner Gottheit.
Wer versteht deine Gegensätze, du Wahrhaftiger!