Liebe Schwestern und Brüder,
„Ich bin dann mal weg“ – dieser Bestsellertitel von Hape Kerkeling ist längst zu einem geflügelten Wort geworden. Der bekannte Komiker und Moderator schildert in seinem Buch die Erlebnisse seiner Pilgerreise (2001) auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Er erzählt von Menschen, die er unterwegs trifft. Dabei betrachtet er auch sein eigenes Leben.
„Ich bin dann mal weg“ könnte in dieser Ferienzeit jeder sagen, der einfach mal raus will und befreit sein möchte von den Zwängen des Lebensalltages. Dabei könnte jeder sich fragen, was das Leben so mit einem macht, welche Veränderungen festzustellen sind und wie bei allen Beeinträchtigungen eine neue innere Freiheit gefunden werden kann.
In Santiago de Compostela wird am 25. Juli eines jeden Jahres ein großes Fest begangen: Festtag des hl. Jakobus. Er ist einer von den zwölf Aposteln Jesu. Die Ortsbezeichnung „Santiago de Compostela“ lässt sich übersetzen mit „Heiliger Jakobus vom Sternenfeld“. Es ist ein Hinweis auf jene Überlieferung, die davon ausgeht, dass Reliquien des Apostels Jakobus, der, wie die anderen Apostel auch, ursprünglich in Jerusalem lebte, auf geheimnisvolle Weise bis zum entlegensten Winkel der iberischen Halbinsel gelangten. Aufgrund einer Lichterscheinung wurde später dort das vermeintliche Apostelgrab entdeckt. An dieser Stelle wurde im 9. Jh. schließlich eine Kirche errichtet, die mehr und mehr zu einem viel besuchten Wallfahrtszentrum wurde. Im Laufe der Jahrhunderte wurde Santiago de Compostela bekanntermaßen zu einem der größten christlichen Wallfahrtsorte überhaupt.
Dieses lockere „Ich bin dann mal weg“ hätte auch der hl. Jakobus sagen können. Denn mit den Aposteln Petrus und Johannes wird Jesus für mehrere Tage auch den Apostel Jakobus mitnehmen. Diese kleine Gruppe führt Jesus auf einen hohen Berg. Die Drei ahnen gar nicht, was ihnen widerfahren wird. Es wird für die Apostel zu einem erfüllenden Schlüsselerlebnis. Die Gestalt Jesu wird sich verwandeln. Mit seinem verklärten Leib erscheint der Sohn Gottes wie ‚nicht mehr ganz von dieser Welt‘. Die Anwesenden haben das Empfinden, in diesem Augenblick der Verklärung Jesu in eine paradiesische Welt einzutauchen. „Meister, es ist gut, dass wir hier sind“, wird Petrus stellvertretend für die anderen Beteiligten äußern und sinngemäß hinzufügen: „Lasst uns hier bleiben und wohnlich einrichten“ (vgl. Lk 9,28-36).
Wer möchte es nicht: einfach mal raus, etwas Neues erleben, frei sein und in eine andere, in eine bessere Welt hineintauchen können. Wir Christen haben eine Ahnung davon, dass es neben dieser vordergründigen und nicht selten als Belastung erfahrenen Welt noch eine andere, eine wohltuende Parallelwelt gibt, auf die hinzuleben es sich lohnt und die das Ziel vieler unserer Sehnsüchte ist. „Ich bin dann mal weg“ bedeutet für viele Menschen heutzutage allemal auch, sich frei zu machen von aller quälenden Erreichbarkeit und Verfügbarkeit und hinein zu tauchen in eine heilere Welt.
Geistliche christliche Meister kennen zudem ein Zur-Ruhe-kommen, wo es nicht auf geographische Entfernung ankommt. Vielmehr geht um eine Reise zu sich selbst verbunden mit den Fragen: Wer bist du? Wo kommst du her? Wo gehst du hin? Eine solche Reise kann ganz schön abenteuerlich sein, aber auch sehr vielversprechend. Nicht wenige suchen daher beim Zur-Ruhe-kommen eine Kirche oder ein Kloster auf. Sie wollen sich von der geistlichen Stille und Ruhe eines heiligen Ortes bereichern lassen. Hinter den Zwängen des Lebens und hinter den Belastungen des Alltags wollen sie mit dem Entdecken einer neuen Freiheit zugleich die vielfältigen Spuren der Ewigkeit wahrnehmen. Aus dem „Ich bin dann mal weg“, kann dann, wie beim hl. Jakobus und seinen Mitaposteln, ein geistlich-seelisches „Hin und weg“ werden.
Der Glaube an Jesus, den Auferstandenen, schenkt einen wirklich neuen bereichernden Lebenshorizont. Diese Erfahrung kann einen seelisch schon einmal beträchtlich taumeln lassen. Darf ich Ihnen wünschen, damit umgehen zu lernen?
Pfarrer Wolfgang Guttmann