Lieber ein Fan sein als fanatisch

Liebe Schwestern und Brüder,

Papst Franziskus lässt sich für Ideale gern begeistern. Fanatismus jedoch hat für ihn im Glaubensleben nichts zu suchen. Was dem Leben wirklich dient sind Ideale wie Barmherzigkeit, wie Vergebung“. Dabei denkt der Hl. Vater zunächst an Gott selber, der uns in Jesus menschlich begegnet als die „barmherzige Liebe unseres Gottes“ (vgl. Lk 1,78).

In diesen Tagen Papst ließ Franziskus wieder einmal Mal aufhorchen. In einem Interview erwähnte er die Gruppe der Homosexuellen sowie andere von der Kirche benachteiligte Gruppen. Nach seiner Ansicht haben diese Menschen eine Entschuldigung verdient. Wer guten Willens sei und nach Gott suche, dürfe nicht verurteilt werden, so das Oberhaupt der katholischen Kirche. „Wir Christen müssen uns für so viele Dinge entschuldigen, nicht nur dafür, und wir müssen um Vergebung bitten“, ergänzte Papst Franziskus mit Blick auf Homosexuelle. Und er fügte hinzu: „Die Frage ist: Wenn eine Person, die so beschaffen ist, einen guten Willen hat und nach Gott sucht, wer sind wir, darüber zu urteilen?“

Das brisante Thema wie das des Umgangs mit gleichgeschlechtlich orientierten Frauen und Männern wurden in der Vergangenheit auch in der Kirche viel zu oft tabuisiert. Zudem wurden betreffende Personen ausgegrenzt oder es kam zu gewaltsamen Übergriffen. Schlimme Szenen gibt es auch noch heute – auch im Namen von Religionen. Das menschenverachtende Massaker im Schwulennachtclub in Orlando/USA ist ein erschütterndes Beispiel dafür. 50 Menschen kamen ums Leben, mindestens ebenso viele Opfer wurden zum Teil schwer verletzt. Diese abscheuliche Tat, die offenbar religiös motiviert war, rief weltweit Trauer und Entsetzen hervor.

Fanatismus hat jeden Menschen, gleich welcher Religion er angehört, nicht allein stutzig zu machen, Fanatismus darf mit Religion nicht in Verbindung gebracht werden. Denn Fanatismus erhebt ganz bestimmte Phänomene zur Absolutheit, duldet dabei keine Einwände, kennt keine Toleranz und ist schließlich bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Nach Carl Gustav Jung (1875-1962), dem Schweizer Psychiater, entlarvt sich ein Fanatiker selber. Denn er hegt eigentlich selber Zweifel an seiner Sache, nur gesteht er sie sich nicht ein.

Wie viele gefährliche Engführungen gibt es unter religiös lebenden Menschen, auch unter Christen. Erfreulicherweise besitzen wir mit Papst Franziskus ein Kirchenoberhaupt, das den Mut hat, in der Kirche unter den Vorzeichen der Barmherzigkeit und Vergebung neue Wege zu gehen. Wenn er das Thema der gleichgeschlechtlich Orientierten offen anspricht und seine pastorale Sicht der Dinge darlegt, dann sieht der hl. Vater in ihnen Menschen, die, wie alle anderen Menschen auch, auf der Suche sind nach dem eigenen Ich. Er möchte sie verstehen lernen, grenzt sie nicht aus, vielmehr begegnet er ihnen im Geist der Barmherzigkeit und der Vergebung. Auch wenn der Lesben- und Schwulenverband, darauf hinwies, dass Worte allein nicht reichten, so begrüßte der Verband ausdrücklich die Äußerungen des Papstes.

Im Wort Fanatismus steckt das englische Wort Fan. Ein Fan ist kein Vertreter extremer Positionen, vielmehr schwärmt er in bejahender Weise von positiven Idealen. Als ein Fan Jesu sollte sich jeder Christ verstehen. Christen haben es nicht nötig, durch Fanatismus Feindbilder aufzubauen. Wer ein Fan Jesu ist, braucht das alles gar nicht. Es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als zu wissen, wie Jesus den Menschen auch heute mit dem Geist der Barmherzigkeit und der Vergebung begegnet. Papst Franziskus weiß davon.

Pfarrer Wolfgang Guttmann